Waffenhilfe

Stefan Gärtner über Israels Verbot der UNRWA

»Israel im Kampf gegen die Vereinten Nationen: Das israelische Parlament hat der Weltorganisation gerade offiziell untersagt, sich weiter um das Wohl der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu kümmern. So lässt sich verkürzt zusammenfassen, was die Knesset in Jerusalem mit der überwältigenden Zustimmung von Regierungsparteien und Opposition beschlossen hat. Unter dem Strich bedeuten die neuen Gesetze praktisch das Aus für die UNRWA als der wichtigsten Organisation, die den zahllosen Flüchtlingen unter den mehr als fünf Millionen Menschen in den von Israel besetzten Gebieten ein irgendwie menschenwürdiges Leben ermöglicht.« Und der »SZ«-Kommentar fragt zwar nicht, welches Süppchen PLO, Fatah und Hamas auf dem Feuer halten konnten, während die UNRWA Suppe kochte, kann aber der israelischen Führung in den Kopf gucken: »Palästinensisches Leben … soll unerträglich gemacht werden«, was den Verdacht erlaube, »dass am Ende all dessen die Vision eines Groß-Israel steht«, statt am Anfang, wo eine Vision doch hingehört. »Eines Staats also, der nur nach großflächiger Vertreibung der Palästinenser Wirklichkeit werden könnte.«

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Geist in der Grube

Omri Boehm ist der Philosoph der Stunde: Er veredelt die autoritäre Wende mit salbungsvollem Sermon. Von Klaus Weber

Omri Boehm »erweckt die kritische philosophische Tradition zu neuem Leben«, sein Buch Radikaler Universalismus (Propyläen, Berlin 2022) sei »ein Gegenmittel für die epistemologischen und moralischen Krankheiten unserer Zeit« und es »gibt uns Grund zur Hoffnung«. Es sei »kraftvoll und überzeugend« und werde »ein Meilenstein im großen Gebäude der Philosophie werden«.

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Kufija Culture

Das antisemitische Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hat in weiten Teilen des deutschen Kunstbetriebs offenen Judenhass entfesselt. Von Markus Ströhlein

Sie werden gemieden, weil sie Israelis – und schaut man genau hin –, weil sie Jüdinnen und Juden sind«, berichtet der Kunstwissenschaftler Jonathan Guggenberger über die Lage israelischer Austauschstudentinnen und -studenten an der Königlichen Akademie der Künste in Den Haag und der Design Academy Eindhoven. Beide Hochschulen setzten nach Boykottaufrufen antiisraelischer Gruppen in diesem Jahr das Austauschprogramm mit der Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem aus.

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Der 24. Merz

Montagmittag, 21. Oktober 2024, Regierungspressekonferenz in Berlin. Die Veranstaltung läuft seit genau einer Minute, da kündigt die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann an, es werde beim Arbeitsbesuch des slowakischen Präsidenten bei Bundeskanzler Scholz sicherlich auch um »die weitere Unterstützung der Ukraine im Verteilungskampf – im Verteidigungskampf, Entschuldigung, gegen den russischen Angriffskrieg« gehen.

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Flurbereinigung

Kost' ja nichts: Der Bundespräsident hat im italienischen Marzabotto seine wohlfeile Entschuldigungstour fortgesetzt. Von Rolf Surmann

Ende September reiste Frank-Walter Steinmeier gemeinsam mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella nach Marzabotto in der Nähe von Bologna. Anlass war der 80. Jahrestag eines SS-Massakers in diesem Ort, bei dem fast 800 Menschen ermordet wurden – ein Kriegsverbrechen, das ähnlich in vielen Dörfern und Städten Italiens, Griechenlands und anderswo begangen worden war. Doch dieser Besuch folgte nicht der üblichen Erinnerungsroutine, zu der die deutsche Politik sich nach Jahrzehnten absoluter Ignoranz vor zirka zwanzig Jahren durchgerungen hat. Er wirkte wie der Sprung durch einen brennenden Reifen.

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Lehn dich an

Eine Sommerromanze von Wieland Schwanebeck.

Sämtliche Zitate entstammen dem Handbuch sowie den vorinstallierten Sprachbotschaften des Brain-Light-Massagesessels.

Ich war ja immer skeptisch, was diese ganzen Weichzeichner-Filmromanzen angeht mit ihren blütenblattumkränzten Badewannen. Arg lebensfern fand ich besonders das Motiv der seriellen Eheauszeit, wenn sich also zwei in festen Beziehungen gebundene Partner einmal im Jahr von ihren jeweiligen Angetrauten entfernen, um in malerischen Urlaubsorten einer Zweitbeziehung zu frönen. Gesehen unter anderen in »Avanti, Avanti!« oder »Nächstes Jahr, selbe Zeit«, na, und in diesem dritten Film, wie hieß er noch? »Letztes Jahr in Marienbad«? Egal.

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Aus der Pimpfenwelt

Von der NS-Propaganda zum »Derrick«-Autor: Das Leben Herbert Reineckers ist ein Muster nachkriegsdeutscher Karrieren. Von Gerhard Henschel

Im Jahre 1990, auf der Höhe seines internationalen Ruhms, bekannte der Drehbuchautor Herbert Reinecker: »Wenn mich heute jemand fragt: Wann bist du jemals glücklich gewesen?, dann lautet meine Antwort: in den Jahren ’35 bis ’39.« Der junge Reinecker, Jahrgang 1914, hatte sich seinerzeit im Dienst des Presse- und Propagandaamts der Reichsjugendführung als brauchbarer journalistischer Scharfmacher bewährt und rasch Karriere gemacht. 1936 wurde er als »Hauptschriftleiter« der Hitlerjugend-Zeitschrift »Der Pimpf« bestallt, und er ging schon bald, wie man in seinem 1990 veröffentlichten »Zeitbericht unter Zuhilfenahme des eigenen Lebenslaufs« nachlesen kann, bei Kranzler und bei Adlon ein und aus.

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Staat der Emanzipation

Im Kampf um kürzere Arbeitszeiten steckt immer auch ein utopisches Moment. Von Stefan Dietl

Vor genau vierzig Jahren erstritten IG Metall und IG Druck und Papier mit dem Slogan »Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen« und unter dem Logo einer lachenden Sonne den Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Zehntausende beteiligten sich im Frühjahr und Sommer 1984 an den Streiks für eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden. Die Arbeitgeberverbände stellten sich, wie auch die schwarz-gelbe Bundesregierung, vehement gegen die Forderung der Gewerkschaften, und Bundeskanzler Helmut Kohl bezeichnete die 35-Stunden-Woche als »dumm, dreist und töricht«.

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VON 10/24

»Man soll die Feste fallen lassen, wie man sie feiern will«, hatte Hermann L. Gremliza anlässlich des dreißigsten Geburtstags der neuen konkret 2004 geschrieben:

konkret, als Zeitschrift für Politik und Kultur Mitte der Fünfziger von jungen, verbotenen Kommunisten gegründet, dann von einem vorübergehend zum Nationalkommunisten konvertierten Hitlerjungen usurpiert und in den besten Jahren von den Kolumnen der Ulrike Meinhof geprägt, war im November 1973 in Konkurs gegangen. Die nächste Ausgabe der Zeitschrift erschien im Oktober 1974 im Neuen konkret Verlag. Dessen Gründer ist seit dreißig Jahren Herausgeber der ältesten und am weitesten verbreiteten linksradikalen Zeitschrift in Deutschland, die, wenn kein Weltuntergang dazwischenkommt, in drei Jahren fünfzig wird.

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Die Kinder aus Korntal

Dokumentarfilm. Regie: Julia Charakter; Deutschland 2023, 

90 Minuten, ab 26. September im Kino  

Dunkel, Nebel, Winter, ein Zug fährt kreischend ein. Detlev Zander wartet auf dem Bahnsteig. »Manchmal hab’ ich mich gefragt, wie ich das überlebt hab’. Dass ich heute wirklich offen reflektiert darüber sprechen kann.« Er ist viel unterwegs, ist Sprecher des Beteiligtenforums für die Betroffenen von sexuellem Missbrauch der Evangelischen Kirche Deutschlands.

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