Holiday in Hungária
Die Plakatkampagnen der Fidesz-Regierung dürften vielen bekannt sein. Besonders im Vorfeld von Wahlen (im Juni sind EU- und Bezirkswahlen) sollen sie Stimmung gegen oppositionelle Politiker/innen machen. Ein wiederkehrendes Motiv stellt der in Ungarn geborene Fondsmanager, Milliardär und Philanthrop George Soros dar. Er bezahle seine »Söldner« in Ungarn und der EU, um die ethnisch-ungarische und christliche Kultur Ungarns durch Migration zu zerstören; eine Verschwörungstheorie, die bei der AfD unter »Umvolkung« und der amerikanischen Rechten unter »The Great Replacement« firmiert. Seit März hängen aber Plakate, die Fans des frühen US-Punk sofort ins Auge fallen.
Darauf sind vier oppositionelle Politiker in weißen Hemden mit einem darauf gesprühten »S« und schwarzen Krawatten, die Dollar-Zeichen ergeben, zu sehen: ein Rip-Off des ikonischen Outfits der Band Dead Kennedys (DK) auf den Bay Area Music Awards 1980, die damit gegen die Musikindustrie protestierte. Die Plakate sind nur ergänzt durch Slogans wie: »Sie haben sie kiloweise gekauft« (à la: »Sie haben ihre Ideale verkauft«) und »Das ist die Dollar-Linke«. Die Charaktere auf den Plakaten wechseln, doch die antisemitische Sprache bleibt bestehen.
Journalist László Seres hakte beim ehemaligen Sänger Jello Biafra nach, ob DK dies erlaubt habe. »Nein, wir haben diesem unheimlichen Möchtegern- Diktator Orbán oder seiner Partei nicht erlaubt, dies zu benutzen!!! Warum sollte jemand von uns sein Sesselfaschistisches [sic] Regime in irgendeiner Weise unterstützen? Ja, sie haben mit Sicherheit sowohl die Rechte von DK als auch die des bekannten New-Wave-/Frühpunk-Fotografen f-Stop Fitzgerald verletzt.«
Die Urheber der Kampagne, CÖF (Forum Ziviler Zusammenhalt), erwiderten, DK sei nicht so »sensibel« gewesen, als Sänger Steve Lacy diesen Style 2022 kopierte und forderte die Protagonisten auf, sich den Fakten zu widmen: Die ungarische Opposition habe versucht, den Parlamentswahlkampf 2022 mit Mitteln aus dem Ausland zu beeinflussen. Mit staatlicher Förderung kennt sich die 2009 gegründete NGO gut aus: Von Transparency International als Government-operated non-governmental Organization (GONGO) eingestuft, erhält sie seit mehreren Jahren Gelder von Fidesz-nahen Stiftungen und staatlichen Betrieben. Die Werbekosten der DK-Kampagne auf Facebook belaufen sich allein im März auf 37.560.309 Forint (über 95.000 €). Erschreckend, würde in Ungarn nicht längst »Bedtime For Democracy« herrschen.
Benjamin Horvath