LK 29

literatur konkret Nr. 29

Ab nach rechts - Mit der DDR ins neue Deutschland

Der Name sei eine Beleidigung der Montagsdemonstrationen der Wendezeit, wettert Wirtschaftsminister Clement über die Neuauflage der Demonstrationen. Während sich im Westen kaum Widerstand regt, gehen in Ostdeutschland Tausende auf die Straße, um gegen den Sozialstaatsabbau der Bundesregierung zu protestieren – so hatten sie sich die Überführung der sozialistischen Sozialpolitik in den Kapitalismus dann doch nicht vorgestellt. Zeigen die neuen Montagsdemonstrationen, daß die ehemaligen DDR-Bürger sich einen »größeren Gerechtigkeitssinn« bewahrt haben, wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verständnisvoll einräumt?  
Was auch immer dran gewesen sein mag am deutschen Arbeiter- und Bauernstaat – hat, was von ihm bleiben und Teil des vereinten Deutschland werden durfte, die Bundesrepublik zum Besseren verändert? LITERATUR KONKRET 2004 zieht 15 Jahre nach dem Mauerfall eine gesamtdeutsche Bilanz.  
Zahlreiche Neuerscheinungen widmen sich aus Anlaß der Jahrestage von Mauerfall und Staatsgründung der Aufarbeitung resp. Umschreibung der Geschichte, enttarnen Stasiagenten oder schwelgen in Ostalgie. Die Zonenkinder, die auszogen, McDonald’s kennenzulernen und der Generation Golf nachzueifern, entdecken sich selbst als Opfer der Diktatur – und haben, wie Anja Henebury und Magnus Klaue in ihrem Beitrag »Puffreis aus dem ›Unrechtsstaat‹« (S. 4 ff.) zeigen, auch literarisch nicht mehr zu bieten als ihre westdeutschen Kollegen.  
Die Fotos im Innenteil präsentieren DDR-Devotionalien und -Dokumente aus den Archiven des Deutschen Historischen Museums, Berlin. Georg Seeßlens Essay »Idyllen und Ikonen« (S. 10 ff.) über die Ästhetik der DDR und ihrer politischen Elite schmückt ein Foto von Walter Ulbricht beim Rudern aus der besprochenen DVD »Das Politbüro privat«. In Dietrich Kuhlbrodts Text »Anwendung der DDR in der BRD« (S. 20 ff.) über ein halbes Jahrhundert doppeldeutsche Rechts- und Filmgeschichte illustriert ein Foto aus dem »Good Bye, Lenin«-Nachfolgefilm »Kleinruppin forever« die nostalgische Verniedlichung der DDR durch die BRD.
Erscheinungsdatum: 24.9.2004, eingeheftet in KONKRET 10/04; beim Verlag auch einzeln erhältlich.

Inhalt

  • Puffreis aus dem "Unrechtsstaat"
    Die Zonenkinder haben literarisch nicht mehr zu bieten als die Generation Golf.
    Von Anja Henebury und Magnus Klaue
  • Identität, Krise und Wahn
    Über die Wiederkehr der DDR in einem aggressiven Heimatgefühl.
    Von Carsten Otte
  • Ab nach rechts bei Rot
    Über Segen und Fluch der DDR.
    Von Hermann L. Gremliza
  • Idyllen und Ikonen
    Aus dem fotografischen Gedächtnis eines untergegangenen Reiches.
    Von Georg Seeßlen
  • Ins Schwarze Loch
    Gewinnt das Werk Christa Wolfs dadurch, daß man es nicht liest?
    Von Rayk Wieland
  • Schuldklotz
    Ein Porträt des antikommunistischen "Volksschriftstellers" Walter Kempowski.
    Von Thomas Blum
  • Ich, Luther
    Wolf Biermann betätigt sich als "Dolmetzsch".
    Von Jürgen Roth
  • Dr. Hacks
    oder: Wie KONKRET lernte, die Bombe zu lieben.
    Von Hermann Kant
  • Beruf: Revolutionär
    Theaterreisen nach Babylon.
    Von Peter O. Chotjewitz
  • Anwendung der DDR in der BRD
    Ein Streifzug durch ein halbes Jahrhundert Rechts- und Filmgeschichte.
    Von Dietrich Kuhlbrodt
  • Erinnerung total
    Die Literatur zur DDR-Geschichte kündet von der fortschreitenden Opferisierung der Deutschen.
    Von Rolf Surmann
  • Längerer Lehrgang
    Über zwei Versuche, die kommunistische Bewegung zu historisieren.
    Von Tjark Kunstreich
  • Rezensionen
    12 Autorinnen und Autoren stellen 20 neue Bücher vor:
    - Christel Dormagen über Susanne Fritsches "Die Mauer ist gefallen", "Hunger auf Leben" von Brigitte Reimann, die Hörbücher "Ich bin so gierig nach Leben" und "Die Tagebücher" und "Brigitte Reimann. Biographie in Bildern" von Margrid Bircken und Heide Hampel
    - Oliver Maria Schmitt über Carsten Ottes "Schweineöde"
    - Roland Buhles über Michale Uhls "Mythos Spanien"
    - Michael Rudolf über "Blühende Landschaften" von Peter Richter und Franziska Gerstenbergs "Wie viel Vögel"
    - Werner Jung über "Die Botschaft des Hotelzimmers an den Gast" von Günter Kunter
    - Mathias Wedel über Axel Hackes "Deutschlandalbum"
    - Patrick Präg über "Stasiland" von Anna Funder
    - Horst Schmidt über Falko Hennigs "Radio Hochsee"
    - Svenja Ölkers über "Sieger" von Leif Allendorf
    - Gunnar Schubert über Cox Habbemas "Koffer in Berlin" und "Tausend Tele-Tips" von Simone Tippach-Schneider
    - Jens Hoffmann über "Ihr Unvergleichlichen" von Jurek Becker und Anetta Kahanes "Ich sehe was, was du nicht siehst"
    - René Martens über Hanns Leskes " Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder"