Krauts’ Remembrance

Frédéric Valin über Erinnerungen an den deutschen Überfall auf Griechenland

Vor 80 Jahren hat Deutschland Griechenland überfallen. Ich hatte einen Onkel – er war kein Familienonkel, er war ein Freund meiner Großeltern –, der an dem Überfall teilnahm, und zwar in einer Einheit – ich habe das später mal nachgeschlagen –, die Partisanen bekämpft hat. Er hat die Zeit dort sehr genossen und wäre wohl nie das geworden, was er wurde, hätte er nicht damals an dieser Operation teilgehabt.

Partisanen bekämpft, das heißt soviel wie: Dörfer angezündet, Zivilistinnen und Zivilisten erschossen, gemordet, gebrandschatzt, vergewaltigt, es heißt Kalavryta, Kefalonia, Klissoúra, Kesariani, Distomo und Chortiatis.

Onkel Leo – so hieß er – wurde später Lehrer, Latein und Geschichte, an einem humanistischen Gymnasium. Ich weiß das, weil ich unfassbar schlecht in Latein war. Ich müsse das irgendwie wieder reinholen, hieß es, also wurde ich dahin geschickt, ich war dreizehn, glaube ich. Zwei Wochen während der Faschingsferien saß ich mit meiner Großmutter in diesem Haus fest, tagsüber Ablativus absolutus und abends dann die Karnevalssitzungen im ZDF und den Dritten. Dazwischen Abendbrot, mit Vorträgen darüber, dass die Jugend nichts mehr tauge und Zucht und Ordnung fehlten in unserer Zeit. Vorträge über das antike Griechenland auch, über die Ruinen, die er besichtigt hatte – die Tausende von Jahren alten Ruinen, nicht die frisch abgebrannten Dörfer, die er auch gesehen haben muss. Die er wahrscheinlich selbst geholfen hat anzustecken.

Ganz zum Schluss war er noch in Russland gewesen, dort ist er auch gefangengenommen worden, und eigentlich ist das die einzige Anekdote, die er aus dem Krieg erzählt hat: wie sie zwei Wochen nichts zu essen bekommen hatten und man ihnen dann Sauerkraut vorgesetzt hat, kiloweise Sauerkraut, und sie dann durch die Straßen Moskaus hat marschieren lassen mit dem Sauerkraut, das durch ihre Därme jagte, sie immer weitergetrieben wurden, furzend und scheißend und stinkend, die stolzen Herrenmenschen. Das sei sehr schlimm gewesen, sagte er immer und beugte sein Haupt in Demut vor dem eigenen Schicksal, bevor er wieder darüber erzählte, dass Hitler auch nicht alles und so weiter. Tausende von Schülerinnen und Schülern hat er unterrichtet, mich auch, wenn auch nur zwei Wochen lang, in einer Stadt namens Peine, die diesen Namen eo ipso völlig zu Recht trägt, das ganze Land sollte so heißen. Peinland. Warum nicht?