Affirmationsmaschine

Peter Kusenberg über den KI-Textgenerator ChatGPT

Im März 2016 aktivierte die Firma Microsoft den Chat-Bot Tay auf Twitter, der dadurch auffiel, dass er rassistische und sexistische Tweets absetzte, weshalb Microsoft ihn am Folgetag abschaltete. Da Microsoft einerseits noch nie etwas Gescheites zuwege brachte, andererseits über das nötige Großgeld verfügt, investiert es neun- bis zehnstellige Summen in Firmen, die funktionierende Large Language Models entwickeln. Dabei handelt es sich um »maschinelle Lernmodelle, die entwickelt wurden, um menschenähnliche Sprachverarbeitungsfähigkeiten zu erlangen. Dazu wurde das Modell mit großen Mengen an Textdaten trainiert, um möglichst viel Wissen über die Strukturen und Konventionen der menschlichen Sprache zu erwerben«, wie mir der zurzeit avancierteste Vertreter dieser Art, ChatGPT, über sich verrät. ChatGPT stammt von der kalifornischen Firma OpenAI, die im Spätherbst 2022 eine Vorschauversion des Programms veröffentlichte, das der Autor Kevin Roose in der »New York Times« als »Mix aus Software und Hexerei« bezeichnete und das den Chef des Konzerns Google, Sundar Pichai, bewog, die Künstliche-Intelligenz-Forschung des Unternehmens umzustrukturieren in Sorge um die Geschäftsgrundlage. Neben Microsoft sind die Erzschurken Peter Thiel und Elon Musk unter den Investoren.

Sobald OpenAI das fehlerbehaftete und langsame Programm in Schwung gebracht und die immensen Serverkosten gesenkt haben wird, könnte es den IT-Markt aufrollen sowie einige Jobs überflüssig machen: Übersetzer, Autoren, Designer, Programmierer, Regisseure, selbst Musiker, nicht zu schweigen von Hotline-Telefonisten und Lehrern. In einer affirmativen Gesellschaft braucht’s keine echte Intelligenz, also ein Bestaunen, Fühlen und Verstehen, sondern »next-token predictions«, wie der – tatsächlich beachtliche – »Wahrscheinlichkeitsautomat« (Golem.de) von ChatGPT genannt werden sollte, der mit minimalem Input halbkomplexen Code schreibt und verbessert und konfektioniertes Verhalten wesentlich besser simuliert als ähnliche Programme zuvor. Bei konkret-Texten wird’s noch nicht funktionieren, doch bei Gurkenportalen wie »Spiegel Online« und, erst recht, bei FDP-Postillen wie der »Welt« ließe sich eine Menge Personal sparen.