VON konkret

Ob eine deutsche Politikerin vor einigen Jahren diese Bemerkung ungestraft hätte machen können?

»Gerade bei unserem gemeinsamen Besuch der Holodomor-Gedenkstätte ist heute noch einmal deutlich geworden, was die schrecklichste Mahnung unserer Geschichte ist. Und es ist unsere Aufgabe, alles dafür zu tun, dass sich solche schlimmen Menschheitsverbrechen nie wieder in Europa wiederholen«, sagte Annalena Baerbock nach ihrem Besuch der Holodomor-Gedenkstätte in Kiew.

In den dreißiger Jahren herrschte in der Sowjetunion eine große Hungersnot. Drei bis sieben Millionen Menschen fielen ihr allein in der Ukraine zum Opfer. Die ukrainische Version der Geschichte lautet, dass Stalin den Hunger planvoll herbeigeführt habe, um einen Völkermord an den Ukrainern zu verüben. In der westlichen Geschichtsschreibung wird »Holodomor« synonym mit »Stalins Holocaust«, »Hidden Holocaust« oder auch »Hunger-Holocaust« verwendet. Wie erfolgreich dieser Revisionismus gewesen ist, lässt sich daran ermessen, dass die Geschichte der aktuellen deutschen Außenministerin eine ist, deren Lehre lautet: Nie wieder Holodomor! – Woraus sich zwingend die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland ergibt.

 

Ende Januar ist Jörg Meuthen als Co-Bundessprecher der AfD zurück- und aus der Partei ausgetreten. Dabei warnte er in zahlreichen Interviews vor »ganz klar totalitären Anklängen« in der Partei und ihrem »immer enthemmteren« Kurs. Die Rechtsextremisten hätten in der Partei einen Einfluss, »der entschieden größer ist, als er sein dürfte«. Allerdings handle es sich bei ihnen um »Faschisten« und nicht um »Nazis«. Denn wer wollte Alexander Gauland nach seinem Vorschlag, die frühere Integrationsbeauftragte Aydan Özoğuz »in Anatolien zu entsorgen«, für einen Nazi halten? Oder Jörg Meuthen selbst, dem Gaulands »Bescheidenheit, nur diese eine Person entsorgen zu wollen, … hier ausnahmsweise unangebracht« erschien? Also keine Nazis nirgends, nur ein paar zu viele Faschisten. Warum die Meuthen die Parteikarriere kosten würden, hatte Kay Sokolowsky bereits in konkret 6/20 erklärt.

 

Ebenfalls keine Nazis sind die Mitglieder der 2019 gegründeten rechtsradikalen Partei Portugals, Chega (Es reicht), deren Antirassismus den Chega-Vorsitzenden André Ventura zu Äußerungen wie dieser veranlasst: Sinti und Roma solle man in eine Art Zwangslager einsperren, damit sich die überdurchschnittliche Verbreitung des Virus in dieser Bevölkerungsgruppe nicht auf andere übertrage. Mit dem Erfolg Chegas bei den Präsidentschaftswahlen im Januar ist auch in Portugal der Eurofaschismus, den Rolf Surmann in konkret 2/22 beschrieben hat, auf dem Vormarsch. Chegas Aufstieg ist beispielhaft für Surmanns Beobachtung, dass die Weigerung vieler europäischer Staaten, mit ihrer Vergangenheit zu brechen, ein zentraler Grund für das jeweilige Erstarken faschistischer Tendenzen sei. Denn in weiten Teilen der portugiesischen Bevölkerung hält sich bis heute die Vorstellung, in Portugals Kolonien habe ein friedliches Neben- und Miteinander von Weißen und Schwarzen geherrscht. Auch um dieses Märchen zu verteidigen, wurde Ventura gewählt: »Wir haben viel gegeben. Kultur, Infrastruktur, Schulen, soziale und religiöse Integration, das war im 16. und 17. Jahrhundert ganz wichtig. Das alles wird von diesen neuen Intellektuellen vergessen, die sagen, wir müssen als Gesellschaft Schuld auf uns laden und dafür geradestehen und eventuell sogar den Ländern, in denen wir präsent waren, Reparationszahlungen überweisen. Das ist doch lachhaft. Die Geschichte ist so, wie sie ist, wir können sie nicht neu schreiben.«

 

In Deutschland bemüht man sich, den Krieg mit Russland herbeizureden. Jörg Kronauer versucht ab Seite 12, ein wenig Ordnung in die Aggression der Nato gegen Russland zu bringen. Wen die Vorgeschichte des heutigen Konflikts interessiert, der kann sie in Kronauers Buch »Ukraine über alles!« – Ein Expansionsprojekt des Westens, das als Band 66 der Reihe konkret texte erschienen ist, im Detail nachlesen.