VON konkret

In diesem Heft schreibt Philipp Schmidt (Seite 8) über den neuen Vorsitzenden der Werteunion:

Seit der Wahl Ottes, der 2017 öffentlich angekündigt hatte, die AfD wählen zu wollen, beim Verschwörungsformat KenFM auftrat und bis Januar 2021 im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung saß, wird der CDU-Vorsitzende Armin Laschet mit Fragen zum Verhältnis seiner Partei zur Werteunion behelligt.

Otte ist sogar den Mitgliedern seines eigenen Vereins zu rechts. Hans-Georg Maaßen ließ nach Ottes Wahl seine Mitgliedschaft ruhen, und verschiedene Landesverbände haben ihre Kandidaten zurückgezogen. Solche Berührungsängste hatte die konkret-Redaktion nicht, als sie 2011 für die April-Ausgabe den damals noch der Profession »Crashprophet« nachgehenden Otte zur Zukunft des Kapitalismus interviewte. Auf die Frage: »Was raten Sie unseren Lesern, die schlaflose Nächte darüber zubringen, wie sie ihre Ersparnisse investieren sollen?«, antwortete Otte: »Ich rate ihnen zum Volkskapitalismus. Sie sollen deutsche Aktien kaufen … Die deutsche Wirtschaft ist stark, die amerikanische ist aus meiner Sicht viel maroder. Man bleibe also im Lande und nähre sich redlich.« Niemand kann behaupten, er hätte nichts gewusst.

Zur letzten Folge der »Sternstunden deutscher Geschichtsschreibung« in konkret 6/21: Die Bildunterschrift enthält einen Fehler. Auf dem Bild ist nicht ein Denkmal des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm II. zu sehen, sondern eines des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1640–1688). Der hatte durch die 1682 gegründete Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie Handelsstützpunkte in Guinea errichten lassen. Brandenburgische Händler lieferten Feuerwaffen, einfache Eisenerzeugnisse und Rubinglas und tauschten die Waren dort gegen Elfenbein, Gold und Sklaven, die sie an Plantagenbesitzer in Amerika verkauften.

Der Titel der Juni-Ausgabe hatte vor einer Wahl der Grünen gewarnt. Wie richtig ihre Kennzeichnung als »größeres Übel« ist, bewies die Partei in den letzten Wochen erneut mit der Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine und der Unterstützung bei der Beschaffung von Drohnen für die Bundeswehr. In diesem Heft schreibt Paul Simon auf Seite 36 über diese eminent gefährliche, weil wieder einmal kriegswillige Partei.

Es ist jedenfalls erfreulich, dass konkret in diesem Fall direkte Auswirkungen auf die politische Stimmung dieses Landes hatte: Seit dem Erscheinen des letzten Titels fallen die Umfragewerte der Grünen. Man kann nur hoffen, dass dieser Trend sich fortsetzt und auch auf die restlichen Parteien übergreift.

Nach 12 Jahren geht die Regierung Benjamin Netanjahus zu Ende. Grund genug für die »Süddeutsche Zeitung«, Netanjahu mit einem »Sonnengott« zu vergleichen, der länger als jeder andere in Israel »geherrscht« habe und absolut untypisch für einen Politiker »immer nur die eigene Macht im Sinn« hatte. Entsprechend feiern die Medien den Regierungswechsel als irgendwie liberalen Neuanfang. Dabei vertreten Netanjahus Nachfolger Naftali Bennett und dessen Partei Jamina (»Nach rechts«) eine wenigstens so national-religiöse Position wie die Likud-Partei. Bennett hatte 2013 in einer Kabinettssitzung erklärt, dass Terroristen nicht eingesperrt, sondern »einfach umgebracht« werden sollten, und auf den Hinweis des Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates, Yaakov Amidror, dass das nicht legal wäre, erwidert: »Ich habe in meinem Leben schon viele arabische Terroristen getötet, das ist gar kein Problem.«

Dass es dem ehemaligen Medienfuzzi Jair Lapid von der liberalen Jesch-Atid-Partei (»Es gibt eine Zukunft«), der Bennett nach zwei Jahren ablösen soll, gelungen ist, neben den rechten Parteien Jamina, Avigdor Liebermans Israel Beitenu (»Unser Haus Israel«) und Gideon Sa’ars Tikwa Chadascha (»Neue Hoffnung«) auch die sozialdemokratische Awoda (»Arbeit«), die noch ein wenig sozialdemokratischere Meretz-Partei (»Elan«) und die konservative Vereinigte Arabische Liste für die neue Regierungskoalition zu gewinnen, grenzt an ein Wunder. Ein noch größeres Wunder wäre allerdings, wenn diese Regierung die Halbwertzeit einer halben Zigarette überschritte.