Da darf man sich nicht wundern

Kay Sokolowsky über liberalen Antisemitismus im „Tagesspiegel“

Malte Lehming ist seit vielen Jahren beim »Tagesspiegel« dafür zuständig, jene Leser, die sich für liberale Linke halten, in ihrem Irrtum zu bestärken. Er hat ein weites Herz für Barbaren, ein kaltes für Putin und ein glühendes für die Bombenwerte des Westens. Die Meinung, die er verbreitet, verkündet er wie eine höhere Erkenntnis. So auch am 1. Juni, als Lehming postulierte, dass Antisemitismus in bestimmten Situationen hinzunehmen sei und man die Wut eines judenhassenden Mobs irgendwie verstehen müsse, wegen menschlich und so.

Tags zuvor hatte Lehmings Redaktionskollege Julius Geiler berichtet, zwei Frauen und ein Mann seien beim Beobachten einer »Tag der Nakba«-Demo in Berlin-Neukölln von den versammelten Fanatikern übel bedrängt worden. Weil die beiden Frauen Halskettchen mit Davidsternen trugen und ihr Begleiter mit dem Smartphone Slogans wie »Gestern Auschwitz, heute Palästina« dokumentierte, mussten sie sich als »Zionisten-Hure« und »Kindermörder« beschimpfen lassen. Erst als die Hetze in Handgreiflichkeiten umschlug, griff die Polizei ein. Statt sich nun die Aggressoren vorzuknöpfen, belehrte die Staatsmacht die Attackierten, Juden seien in Berlin »prinzipiell sicher«, sollten sich jedoch während des »Nakba«-Rituals unsichtbar machen.

Die polizeiliche Bankrotterklärung nimmt nicht wunder in einer Stadt, deren SPD-Innensenator Geisel marodierende Antisemiten als »erlebnisorientierte arabischstämmige Jugendliche und junge Männer« beschreibt. Und es ist – wenn man Lehmings Œuvre kennt – auch kein Wunder, dass der Kolumnist der Polizei vollauf beipflichtet: »In einer realen Welt sollten die Menschen für die Werte der idealen Welt eintreten und kämpfen.« Sie sollten dabei jedoch »unterscheiden können zwischen erlaubten und klugen Handlungen«. Es käme doch auch niemand auf die Idee, »an Yom Kippur im Bikini durch den überwiegend von ultraorthodoxen Juden bewohnten Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim zu spazieren«. Und so sind die Juden in Lehmings irrealer Welt nicht nur selbst schuld, wenn man sie hasst, sondern müssen auch noch dafür herhalten, Judenhass als eine Art religiöse Folklore zu relativieren.

Der Mann mit dem weiten Herzen für »Israel-Kritiker« hat auch sonst volles Verständnis für sie. Am 27. Mai schrieb er in sein Blatt: »Man darf in Deutschland das Existenzrecht Israels in Frage stellen.« Hingegen darf man nicht einmal den ein Arschloch nennen, der es verdient hat.