Die Straußbombe

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat eingestellt. Von Florian Sendtner

34 Jahre lang war der Deckel draufgeblieben: Das Oktoberfest-Attentat 1980 mit 13 Toten und über 200 Verletzten war das Privatverbrechen eines Einzeltäters, basta. 2014 hatte der Generalbundesanwalt generös die Ermittlungen neu aufgenommen. Fünfeinhalb Jahre lang überprüfte man Hunderte von Spuren (die wichtigsten waren längst vernichtet worden), vernahm über tausend Zeugen, sichtete Hunderttausende von Aktenseiten. Und kam zu dem Schluss: Das Oktoberfestattentat war, anders als bislang angenommen, nicht die Tat eines Studenten, der zuerst kein Glück in der Liebe und dann auch noch Pech bei der Prüfung hatte. Die Bundesanwaltschaft stellte plötzlich fest: Es handelte sich um einen politischen Terrorakt. Gegenüber der „SZ“ ließ sich ein „hoher Ermittler“ zu der Aussage hinreißen: „Der Täter hat aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus gehandelt.“ Und präzisierte: „Gundolf Köhler wollte die Bundestagswahl 1980 beeinflussen. Er strebte einen Führerstaat nach Vorbild des Nationalsozialismus an.“

Ein Führerstaat nach Vorbild des Nationalsozialismus wäre 1980 also am besten mit einem Bundeskanzler Strauß zu realisieren gewesen – gut, dass das nun endlich geklärt ist. Doch zu der Erkenntnis, dass das Attentat auf die Bundestagswahl neun Tage danach zielte, hätte man schneller und billiger kommen können. Nur kurz die (der Bundesanwaltschaft sicher vorliegende) konkret-CD-Rom einlegen, auf der alle konkret-Artikel seit 1974 archiviert sind. Im November 1980, dem ersten Heft nach dem Anschlag, wird die rhetorische Frage gestellt, „welchen anderen Zweck die Bombenleger in München verfolgt haben sollten als eben jenen“, den „hierzulande kaum einer laut zu denken wagt: dass nämlich dieses Massaker ein misslungener Wahlhilfe-Coup war, um Strauß ins Kanzleramt zu bomben“.

Misslungen war der Coup nur deshalb, weil der Attentäter Köhler buchstäblich selbst mit hochging: Seine Leiche war schnell identifiziert, seine Mitgliedschaft in der Wehrsportgruppe Hoffmann ließ sich nicht unter den Teppich kehren. Was „FAZ“ und „Welt“ nicht hinderte, Nebelkerzen in Richtung KGB, PLO und SED zu werfen. Und die Toten waren noch nicht kalt, als Strauß Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) wegen dessen angeblich lascher Haltung gegenüber Terroristen mitverantwortlich machte; dabei hatte Baum Ende Januar 1980 die Wehrsportgruppe Hoffmann verboten, die Strauß nicht müde wurde zu verharmlosen.

Dass Köhler über seinem Bett ein Hitler-Bild hängen hatte, tat der Legende vom unpolitischen Attentat keinen Abbruch. Dabei war der Führer nur die Taube auf dem Dach. Der dicke Spatz in der Hand des Gundolf Köhler und seiner Mittäter hieß Franz Josef Strauß.

Florian Sendtner