Der letzte Dreck
Der Fischer-Verlag hat sich von seiner "umstrittenen Autorin" ("Spiegel") Monika Maron getrennt. Ihr jüngster Roman landete in konkret 10/20 in einer Rubrik, in die sich ihr Gesamtwerk einsortieren ließe.
Beinahe hätte ich so etwas wie Mitleid mit Moritz von Uslar empfunden: Als er nämlich im Sommer im Auftrag der »Zeit« Monika Maron einen Besuch abstattete und darüber leicht genervt berichtete: »Es ist, mit Verlaub, nicht sonderlich produktiv, sich mit der Schriftstellerin über gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu streiten. « Aber Uslar wusste natürlich genau, wen er da traf und was er tat: Er stellte sich an die Spitze einer publizistischen Kampagne, die das Erscheinen von Marons neuem Roman Artur Lanz vorbereitete und seither begleitet.
Offensichtlich haben wir es hier mit einem tagespolitischen und literaturbetrieblichen Ereignis von erheblichem Erregungspotential zu tun: Denn Monika Maron, die »tapfere alte Dame« der gesamtdeutschen Literatur, hat in den letzten Jahren an ein rechtes Umfeld angedockt. Sie schreibt in Gesellschaft von Uwe Tellkamp für Foren wie die vom Antaios-Verlag vertriebene »Exil«-Reihe des Dresdner Buchhauses Loschwitz. Dabei geriert sie sich als eigentlich Unpolitische, die gar nicht genau wissen muss, für wen sie arbeitet, oder als Trotzige, der es einfach egal ist, wer ihr applaudiert, weil sie sich doch einfach nur die Freiheit nimmt, zu sagen, was sie denkt. Dort und andernorts vertritt sie in Aufsätzen und Interviews Thesen, mit denen sie auch in den weniger »bürgerlichen«, krass rechten Kreisen der AfD gut aufgehoben ist. Was sie da von sich gibt, legte sie auch der »Heldin « ihres letzten Romans Munin oder Chaos im Kopf in den Mund, einer alternden Schriftstellerin, die, von den Tücken der Moderne überfordert, gegen den Islam, genderkorrekte Sprachusancen und anderen Unbill der linksversifften Mainstreamkultur anschimpft.
Dass man Kritik gar nicht äußern darf, behauptet Maron immer wieder auch in auflagenstarken Medien der kritisierten linksdominierten Meinungsdiktatur, die so subtil agiert, dass sie die inkriminierten Romane Marons sogar im altehrwürdigen Verlagshaus S. Fischer erscheinen und ein breites Publikum erreichen lässt.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben es hier mit einem ritualisierten Reiz-Reaktions-Schema zu tun, in dem alle machen, wofür sie bezahlt werden. Trotzdem überraschte, in welchem Ausmaß sich das Feuilleton bemühte, Marons vorletzten Roman irgendwie vom Vorwurf eines rechtspopulistischen Gehalts reinzuwaschen. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« schrieb, bei Munin handle es sich eben um Figurenrede, um »ironische philosophische Dialoge«, um Literatur also und im Falle Marons um große Literatur.
Mit ihrem aktuellen Roman jedoch scheint sie die Toleranzgrenze überschritten zu haben. Zwar trifft auch Artur Lanz (nicht Markus Lanz, was vielleicht auch ganz gut gepasst hätte) vereinzelt auf Wohlwollen – »ein durchaus angemessener Gesinnungsroman von angemessener Boshaftigkeit«, befand Jörg Magenau im »Deutschlandfunk «. Doch mehrheitlich ist das Feuilleton mit der Geduld am Ende. Auch weil Maron immer wieder dummes Zeug von sich gibt. In einem fast schon kanonischen Interview mit der »Berliner Zeitung« etwa hatte sie gesagt: »Die Grünen haben ihren Marsch durch die Institutionen erfolgreich absolviert, sie haben die gesamte öffentliche Diskussion in Deutschland gekapert, von den Schulen über die Universitäten in die Medien. Ich finde das alles hochideologisch.« Und natürlich noch einmal betont, dass »jede abweichende Meinung sofort delegitimiert wird, indem sie als AfD-nah oder neurechts diffamiert wird, statt ihr mit Argumenten zu begegnen«. Denn neurechts, wie »in der Zeitung« stehe, sei sie nicht, sie sei »freiheitssüchtig«. Das alles ist politischer Diskurs im weitesten Sinn, mit Literatur, gar mit Literatur als sprachlicher Kunstform, hat es nichts zu tun. Und selbst wohlgesonnene Kritiker und Kritikerinnen verzichten diesmal auf die Behauptung, Artur Lanz sei ein Kunstwerk. Der handlungsarme »Roman«, in dem abermals eine alternde Autorin, oft im Chor mit Freundinnen, Vorbehalte gegen Moslems und die besagte Meinungsdiktatur von sich gibt, geht hart vor allem auch mit den Frauen ins Gericht, die den neuen Männern die alte Männlichkeit ausgetrieben und dafür gesorgt haben, dass es hierzulande keine Helden mehr gibt: »Dabei waren es eigentlich die von Männern erfundenen Waschmaschinen, elektrischen Heizungen, Fahrstühle, Rolltreppen und alle möglichen anderen lebenserleichternden Geräte, die den Frauen plötzlich erlaubten, auf die männliche Kraft zu pfeifen und sie als Gefahr für den Fortbestand der Menschheit zu verdächtigen. « Das ist bedauerlicherweise nicht satirisch gemeint.
Dass dieser Roman vor allem dumm ist, konnte auch der Kulturbetrieb nicht länger leugnen: »ein gedanklich nicht nur relativ einfaches, sondern auch erstaunlich erwartbares Buch« (Judith von Sternburg, »Frankfurter Rundschau«); »Die Eindimensionalität der kolportierten Meinungen macht das Buch aber auch erzählerisch fad« (Julia Encke, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«); »alle Figuren dieses Romans sind blass« (Gerrit Bartels, »Tagesspiegel«). Die »Taz«, wer sonst, meint immerhin, »eine Reflexion über die Frage, ob wir tatsächlich in einer postheroischen Gesellschaft leben«, sei, »obendrein aus der Hand einer vorzüglichen Autorin, mehr als lesenswert«, kommt aber dann auch zu dem Fazit: »die Durchführung überzeugt nicht«. Kurz: Der Roman ist seiner vorzüglichen Autorin misslungen. Nur: Das galt für den Vorgängerroman eben auch schon.
Warum Monika Maron also auf einmal in Ungnade gefallen ist? Vielleicht ein neues Thema für Verschwörungstheoretiker? Wie auch immer: Maron wird sich in der Literaturbetriebsdissidentinnenrolle, die sie sich in alter DDR-Dissidentinnentradition gern nostalgisch zuschreibt, vermutlich bestätigt sehen und wohlfühlen.
Thomas Schaefer