10:0 für den Aiwanger Hubert

Wie ein Volkstribun seine bürgerlichen Kritiker vorführt. Florian Sendtner

Kleinkinder sprechen von sich in der dritten Person: »Pepi muss pipi!« Aber auch Persönlichkeiten der Weltgeschichte wie Jesus, Cäsar oder Wolfgang Schäuble verfielen und verfallen dem Illeismus. Ein bemerkenswerter Neuzugang in der Disziplin der Ich-Verweigerer war unlängst bei Markus Lanz zu Gast: Hubert Aiwanger. Der bayerische Wirtschaftsminister, stellvertretende bayerische Ministerpräsident und umjubelte Führer der Freien Wähler bringt die erste Person Singular vor lauter Bescheidenheit kaum noch über die Lippen. Es geht schließlich nicht um seine Person, die sich im Dienst der Allgemeinheit aufarbeitet, sondern um »den Hubert Aiwanger« als Stellvertreter des deutschen Volkes. Der Skandal, sagt Aiwanger, besteht darin, »dass man den Aiwanger vorführt«. Nämlich in der von der »Süddeutschen Zeitung« angezettelten Flugblattaffäre, die eine einzige »Schmutzkampagne« war. Weil, wie der Aiwanger Hubert dem Lanz und seinen Gästen fachkundig erklärt, »weil der erste Vorwurf schon nicht stimmt, dass der Aiwanger Hubert der Urheber gewesen sei, das war die erste, katastrophalste Lüge und Fehlbehauptung«.

Satte fünf Prozent mehr hat Aiwanger bei der bayerischen Landtagswahl aus der »Schmutzkampagne« für sich und seinen Verein herausgeholt. Aber er hat noch lange nicht genug. Bei Lanz geht es schon wieder gegen ihn, alle reden ihm ins Gewissen, er solle doch bei seiner nächsten Erdinger Rede ein bisschen besser auf seine Wortwahl achten. Er sei ja ein lupenreiner Demokrat und herzensguter Mensch, versichert ihm die gesamte Runde, doch solche Formulierungen wie »sich die Demokratie zurückholen«, das könne unter Umständen missverstanden werden!

Ein Steilpass für den Aiwanger: »Ist das jetzt ein Benimmkurs, wie der Aiwanger reden darf? Oder wie der Aiwanger sich zu verhalten hat?« Aiwanger spielt regelrecht mit den anderen Gästen, am meisten mit Roman Deininger. Wenn sich der Chefreporter der »SZ« mal zu einem halbherzigen Widerwort gegen den Volkstribun aufrafft, schiebt er eilig ein »des is jetz aber nicht böse gemeint« nach. Aiwanger grinst. Aiwanger feixt. Aiwanger strahlt. Und legt triumphierend nach, gegen Arbeitsscheue, Schmarotzer und andere »Taugenichtse«. Die Benimmtanten um ihn herum zucken zusammen. Für Millionen Deutsche vor den Endgeräten war Aiwangers Auftritt ein innerer Reichsparteitag.