VON konkret

Am 28. August 2023 schrieb konkret-Autor Peer Heinelt der Redaktion der wöchentlich im Mittelhessischen Druck- und Verlagshaus erscheinenden »Heimatzeitung«:

Betreff: SA-Männer auf dem Titelblatt der »Heimatzeitung Grünberg« (HZ Aktuell)

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Ausgabe Nr. 8 der »Heimatzeitung Grünberg« (HZ Aktuell) vom 27.08.2023 demonstrieren Sie ein bemerkenswert »unverkrampftes« Verhältnis zur NS-Zeit: Auf dem Titelblatt sind drei Männer in SA-Uniform abgebildet – als Teil einer Gruppe von Musikanten des Musikvereins Stangenrod anno 1939.

Nun wüsste ich gerne, um wen es sich bei den drei SA-Männern handelt und was diese zwischen 1933 und 1945 getan haben – also beispielsweise, welcher Tätigkeit sie am 9. November 1938 nachgegangen sind. Sollten Ihnen hierzu Informationen vorliegen, wäre ich für eine entsprechende Mitteilung dankbar. Der zugehörige Artikel über das 100jährige Jubiläum des Musikvereins Stangenrod (S. 4 f.) gibt hierüber leider keine Auskunft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peer Heinelt

Spielverderbern, die glauben, man müsse sich dafür rechtfertigen, wenn man sein 100jähriges Bestehen mit einem Foto feiert, auf dem drei Männer in SA-Uniform abgebildet sind, wird vom Team-Postfach in bestem Analphabetisch der Stinkefinger gezeigt:

Sehr geehrter Herr Dr. Heinelt,

zu den von Ihnen gewünschten Informationen liegen uns keine Erkenntnisse vor. Text und Fotos wurden uns vom Jubiläumsverein zur Verfügung gestellt und aus diesen Dokumenten geht es im Artikel vor allem darum, ein hohe Jubiläum eines Vereines zur würdigen, gerade auch im Hinblick auf das nachlassende ehrenamtliche Engagement und den gefährdeten Fortbestand der Vereine, gerade in diesem Genre.

Mit freundlichen Grüßen

Team-Postfach Mitteilungsblätter

Man wird seine runden Geburtstage ja wohl noch mit eben den Informationen, zu denen einem Erkenntnisse vorliegen, »umrahmen« dürfen. So ist auf Seite 4 f. zu lesen, dass 1923 Karl Neunobel und Karl Knauß »nach fleißigem Üben im Verborgenen mit Harmonika und Klarinette vor die Öffentlichkeit« traten oder dass die Musiker bei der Fahrradfahrt zum Probenort »artistische Höchstleistungen zeigten …, sie hatten die schweren Instrumente auf dem Rücken.« Oder dass der Zweite Weltkrieg »große Lücken … in den Reihen der Kapelle« hinterließ. Vor allem in Reihe zwei, da vermutlich jene Uniformierten, die ehrenamtlich engagiert Kommunisten und Juden zusammengeschlagen hatten, fleißig im Verborgenen ihre Entnazifizierung übten, wenn auch nicht allzulange, denn: »Das Leben normalisierte sich, die Menschen wandten sich wieder schönen Dingen zu.«

Ähnliche erinnerungspolitische Höchstleistungen zeigten Politik und Presse im Umgang mit der Causa Aiwanger. Markus Söder, der sich von Aiwanger wegen dessen antisemitischem Bubenstreich (siehe dazu Seite 21) nicht trennen wollte, legte ihm statt dessen nahe, Gespräche mit der Jüdischen Gemeinde zu suchen. Die bedankte sich. »Wir Juden sind nicht die Müllabfuhr der deutschen Politik«, sagte der Schriftsteller Rafael Seligmann der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Der kleine Schritt vom trotzigen »Das wird man wohl noch sagen dürfen« zum rotzigen »Wir waren Nazis, und das ist gut so« ist fast getan. Und die Gleichschaltung der Presse, die den Rückweg zum Faschismus ebnet, kommt diesmal ohne Zensur aus. Diese Arbeit erledigt der Markt. Aktuell droht einem linken Blatt nach dem anderen die Insolvenz: dem »Missy Magazin«, das mittlerweile aus dem Gröbsten raus zu sein scheint, dem »ND«, das immerhin Spenden in Höhe von 140.000 Euro eingenommen hat, und nun der »Titanic«, der 5.000 Abos fehlen. Wer es sich leisten kann, sollte diese Publikationen unterstützen, deren Ausfall die Artikulation unangepasster Meinungen empfindlich einschränken würde. Sollte nach Abschluss eines »Titanic«-, eines »ND«- und eines »Missy«-Abos noch etwas übrig sein, empfehlen wir denen, die es noch nicht haben oder die jemanden kennen, der/die damit beglückt werden könnte, den Abschluss eines konkret-Abonnements.

Die konkret-Autorin und Künstlerin Hannah Wolf stellt in ihrer Videoinstallation »Arbeit am Produkt« Ferienanlagen an der türkischen Küste den in der gleichen Region liegenden archäologischen Ausgrabungsstätten gegenüber. Für diese Arbeit hat sie den Karin-Hollweg-Preis erhalten, der alljährlich im Rahmen der Meisterschüler-Abschlussausstellung der Bremer Hochschule für Künste verliehen wird und mit 18.000 Euro dotiert ist.

Ganz im Sinne rücksichtsloser Marktbeherrschung lässt der poetische Sozialist Thomas Gsella sowohl Romantiker als auch Leserinnen von Peter Hacks auf ihre Kosten kommen, was schon für sich genommen kein kleines Kunststück ist.

Wer dieses Kunststück bewundern möchte, das Stefan Gärtner in seinem Vorwort zum neuen konkret-texte-Band von Thomas Gsella Das große Fressen. Die Fotogedichte aus konkret und Titanic erkennt, kann das Buch jetzt für 20 Euro zunächst beim Verlag vorbestellen oder ab Mitte Oktober über den Buchhandel oder die konkret- Website kaufen.