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Bernhard Schmid über das Rentenmindesteintrittsalter in Frankreich

Tu me mets 64? Je te re-mai 68« (auf Deutsch in etwa: »Wenn du mir 64 gibst, bekommst du von mir Mai 68«): So lautet einer der Slogans, die sich derzeit auf Frankreichs Straßen wachsender Beliebtheit erfreuen. Er bezieht sich auf das Vorhaben des französischen Regierungslagers unter Staatspräsident Emmanuel Macron, das Rentenmindesteintrittsalter von derzeit 62 Jahren – vor der letzten »Reform« unter Rechtspräsident Nicolas Sarkozy waren es noch 60 – auf 64 ab Anfang 2030 zu erhöhen.

Manche deutschen Medien, wie auch wirtschaftsliberale auf französischer Seite, behaupten, damit kämen die Französinnen und Franzosen noch glimpflich davon: In Deutschland etwa sei man auf diesem Wege schon viel weiter und man solle sich in Frankreich nicht so anstellen. Auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« hält die aktuellen französischen Proteste für einen Anachronismus und für einen Ausdruck vermessener sozialer Wehleidigkeit.

Der Vergleich mit Deutschland trügt. Denn mit 62, künftig 64 Jahren kann man in Frankreich erstmals einen Rentenanspruch geltend machen – Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen, darunter Angehörige von Polizei und Militär, und Frühverrentungen aufgrund von Invalidität oder Berufskrankheiten einmal beiseitegelassen. Dies bedeutet keineswegs, dass man damit bereits einen Anspruch auf seine volle Rente hätte. Denn wer ab diesem Mindestalter den Anspruch auf Ruhestand geltend macht, muss Abschläge hinnehmen, sofern nicht 43 Beitragsjahre beisammen sind. Die abschlagsfreie Rente gibt es erst ab Erreichen einer anderen Altersgrenze. Diese liegt bereits heute bei 67, in Deutschland hingegen beträgt sie derzeit noch 65 und wird bis 2031 auf ebenfalls 67 angehoben. Das französische Mindestalter entspricht dem, ab dem auch in Deutschland eine Rente unter Hinnahme von Abschlägen in Anspruch genommen werden darf. Es liegt östlich des Rheins derzeit bei 63. Die Abschläge sind in Frankreich höher.

Die sozialen Zumutungen sind in beiden Ländern also weitgehend gleich. Ungleich ist das Ausmaß sozialer Widerstände dagegen. Im Januar und Februar protestierten auf vier verschiedenen Demonstrationen eine bis zwei Millionen Menschen dagegen, am 7. März soll es mit handfesten Streiks weitergehen.