VON konkret

Nachtrag zu Jürgen Roths Stück in konkret 12/22 über die Fußballweltmeisterschaft in Katar: Kerala ist der indische Bundesstaat mit dem geringsten Bevölkerungswachstum, dem höchsten Index menschlicher Entwicklung (HDI), der höchsten Lebenserwartung, der zweitgeringsten Armuts- und der höchsten Urbanisierungsrate. Die Alphabetisierungsrate liegt bei 96,2 Prozent. 2016 wurde Kerala zum ersten digitalen Staat Indiens erklärt, und laut dem »India Corruption Survey 2019« von Transparency International ist Kerala der am wenigsten korrupte Staat Indiens. Kerala wird abwechselnd von der kommunistischen und der Kongresspartei regiert. Modis Hindu-Nationalisten verfügen dort nur über einen Sitz im Parlament. Kerala ist außerdem einer der reichsten Staaten Indiens, und sein Wohlstand beruht zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf dem Umstand, dass sehr viele Malayalis in den arabischen Staaten des Persischen Golfs arbeiten. Das Geld, das sie nach Kerala überweisen, macht jährlich mehr als ein Fünftel des BIP aus. 2008 lebten und arbeiteten 2,5 Millionen Keralesen am Persischen Golf, die jährlich eine Summe von 6,81 Milliarden US-Dollar nach Hause schickten. 2012 waren es sogar 11,3 Milliarden. Die Abhängigkeit von Überweisungen aus dem Golf ging so weit, dass eine vom Kerala State Planning Board in Auftrag gegebene Studie riet, die Regierung solle sich auch nach anderen Einnahmequellen umsehen. Dass es den Leuten in diesem südindischen Staat nicht ganz so elend geht wie im Rest der größten Demokratie der Welt, hat zu einem nicht unerheblichen Teil damit zu tun, dass sie sich am Golf als Arbeitssklaven verdingen. Dass sie sich darum reißen, sagt einiges darüber aus, wie furchtbar es in ihrer Heimat noch sein muss, an deren Verfasstheit der demokratische Westen nicht unschuldig ist. Für diesen Hinweis dankt konkret einem seiner Leser, der ungern öffentliche Briefe schreibt.

Seit dem Tod Hermann L. Gremlizas war in konkret statt einer Politikkolumne ein Aufmacher zu lesen. Mittlerweile ist der Redaktion klargeworden, dass sie diesen Ort, an dem Gremliza die Linie des Blattes Monat für Monat bestimmt, bestätigt und in seltenen Fällen korrigiert hat, wieder nutzen muss. Da niemand den früheren konkret-Herausgeber ersetzen kann, wird die Politikkolumne abwechselnd von drei, möglicherweise vier Autoren verfasst werden, deren Positionen den politischen Rahmen, innerhalb dessen Debatten im Blatt geführt werden können, abstecken sollen. Felix Klopotek ist einer von ihnen; er macht in dieser Ausgabe den Aufschlag (Seite 9).

In der DKP-Zeitung »Unsere Zeit« erschien am 18. November eine Besprechung von Marco Tschirpkes vor kurzem im Eulenspiegel-Verlag erschienen Gedichtband Dichten, bis

ich Dresche krieg. Politische Lyrik, in der es hieß: »Die in dem Bändchen versammelten Gedichte sind zum Teil schon früher in der Zeitschrift, dem ideellen Lehrerzimmer der westdeutschen Linken, veröffentlicht worden. (Ihr) verpasst Tschirpke quasi im Vorübergehen einen linken Haken, indem er sie darüber aufklärt, dass es nicht genügen kann, die Verhältnisse zu kritisieren.« In einer Zeit, in der jede linke Politik als sozialdemokratischer Verbesserungsvorschlag endet, muss man zufrieden damit sein, eine Zeitschrift zu machen, deren Lektüre dabei hilft, an den Verhältnissen weder irre noch blöd zu werden. Also: Vielen Dank für die Blumen!

Zum Titelbild: Es zeigt eine Kupfer- und Kobaltmine in Kamoto/Demokratische Republik Kongo. Kobalt wird für die Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien benötigt, die das Kernstück der E-Autos sind.