VON konkret

Als konkret im Juni 2021 titelte: »Die Grünen: Das größere Übel«, hielten viele das für eine polemische Übertreibung. Spätestens die Ankündigung einer »wertebasierten Außenpolitik« in der »Tagesschau« hat jedoch noch die letzten Illusionen, die manche sich über diesen Verein gemacht haben mögen, zerstört:

Regierungsvertreter aus Peking erklärten, sie wünschten sich Kontinuität in der deutschen China-Politik. »Wünschen darf man ja. Aber das wird nichts!«, sagt dazu Reinhard Bütikofer. Der frühere Bundesvorsitzende der Grünen gehört zu den Vordenkern der neuen, wertebasierten Außenpolitik. Deutschland sei durchaus weiterhin zur Zusammenarbeit mit China bereit – aber nur auf der Basis von Menschenrechten und internationalem Recht.

Da davon auszugehen ist, dass man in China ein Personal, das hier das politische Rennen macht, nicht einmal die Telefonanlage bedienen lassen würde, wird es dort wohl eine gewisse Heiterkeit hervorrufen, wenn im Zwergstaat Deutschland ein Politiker, den keiner kennt, versucht, China die Bedingungen außenpolitischen Handelns zu diktieren.

 

Am 5. Dezember veranstaltete das Heinrich-Heine-Institut in Verbindung mit der Deutsch-Finnischen Gesellschaft ein Weihnachtskonzert im Palais Wittgenstein, auf dessen Programm unter anderen Lieder des finnischen Komponisten Yrjö Kilpinen standen. Alles Wissenswerte über Kilpinen ist in einem Essay von Tomi Mäkelä, der 2020 im zweiten Band von Musik und Gesellschaft (herausgegeben von Frieder Reininghaus, Judith Kemp, Alexandra Ziane) erschienen ist, nachzulesen. Kurz gefasst: Kilpinen war der Strippenzieher der Kollaboration finnischer Musikschaffender mit den einschlägigen NS-Dienststellen in Berlin. Was läge dem deutschen Kulturbetrieb näher, als mit dem Namen Heinrich Heines, des »Kulturjuden«, dessen Werk diese Dienststellen aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen löschen wollten, für die Verbreitung der Werke von Kilpinen zu werben.

 

Am 30. November ist Klaus Rainer Röhl gestorben, und das deutsche Feuilleton ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, den »Wanderer zwischen den Polen« (»Spiegel«), »Querkopf« (»Welt«), »Salonrechten« (»Frankfurter Allgemeine Zeitung«), also: den Kronzeugen des Antikommunismus hochleben zu lassen. konkret hatte sein Pulver schon in der April-Ausgabe 1994 verschossen, als unter dem Titel »Vergangenheitsbewältigung II« dieser leicht verfrühte Nachruf erschien:

Röhl, der sich in den fünfziger Jahren das alte konkret unter den Nagel gerissen hatte, machte es in den sechziger Jahren zu dem Magazin, das Nacktfotos zeigte, die sich damals noch nicht einmal der »Playboy« getraute. Er ritt das alte konkret dann in den Siebzigern in den Konkurs und produzierte mit dem Magazin »Das da«, das demselben Titten-plus-Politik-Konzept folgte, weiter Erfolglosigkeit. In den Jahren danach war Röhl hauptsächlich mit der Herstellung von Wichsvorlagen befasst. Sein Geschäftsgebaren, so hört man, sei bei dieser verlegerischen Tätigkeit zwar nicht fein, aber doch immerhin profitabel gewesen.

Röhls Heimkehr in die ehrenwerte Gesellschaft begann 1988 an der Freien Universität Berlin, wo er sich erneut einschrieb, um zu promovieren. Das Thema und den Doktorvater finden war eins: Röhl wählte die Lieblingsthese seines Betreuers Ernst Nolte, dass die Kommunisten die eigentlichen Nazis gewesen seien; die Arbeit schloss er im August 1992 ab (Klaus Rainer Röhl: Nähe zum Gegner. Kommunisten und Nationalsozialisten im Berliner BVG-Streik von 1932, Berlin 1993). Damit war die Reinigung abgeschlossen. Röhl, der nun in der Clique um den Nolte-Schüler Rainer Zitelmann seine neue Heimat gefunden hat und seitdem auch noch als »Welt«-Autor nervt, machte sich nun ans Denunziantenwerk.

Unter anderem schrieb Röhl an den »Zeit«-Herausgeber Helmut Schmidt, um ihn vor dem konkret-Autor Otto Köhler zu warnen. Köhler hatte die Versetzung von Zitelmann in die Redaktion der »Welt« zum Anlass genommen, in der »Zeit« über dessen Geschichtsrevisionismus aufzuklären. Für Röhl ein »Stück poststalinistischer Denunziantenprosa«, umso schlimmer, als es zuvor bereits »in der mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit erscheinenden poststalinistischen Postille des Herrn Gremliza abgedruckt worden war«.

 

Der Reim-Kolumnist Thomas Gsella trägt im Januar aus seinem neuen Band Ich zahl’s euch reim vor, in dem sich auch Gedichte finden, die er für die konkret-Rubrik »Postrevolutionäre Lyrik« verfasst hat. Gsella liest am 20. Januar um 20 Uhr im Flin, Ludenberger Straße 37, Düsseldorf, und am 26. Januar um 20 Uhr im Hamburger Polittbüro, Steindamm 45.

 

Wegen erheblich gestiegener Porto- und Druckkosten erhöht sich der Preis für ein konkret-Jahresabonnement ab Januar 2022 auf 64 Euro.