Klassenfreunde

Sonderlich kämpferisch ist sie nicht, die Anthologie Klasse und Kampf von Maria Barankow und Christian Baron. Von Thomas Schaefer

Angesichts der gegenwärtigen Debatten und Bücher, die den »Klassismus« entdecken, will man fast meinen, man hätte die letzten Jahre und Jahrzehnte in der verwirklichten Utopie einer klassenlosen Gesellschaft zugebracht. Sogar die »Taz« befand, dass es »ein neues Interesse an der Klassenfrage gibt«, und stellt eine verrückte Frage: »Geht es am Ende nicht einfach um das Geld, das die einen erben und die anderen nicht?« Wer will das schon wissen? Auszuschließen ist jedenfalls nicht, dass, wer von Klassen redet, nicht umhinkommt, von Geld zu reden. Es gibt da Zusammenhänge. Die stellen auch Maria Barankow und Christian Baron im Vorwort zur Textsammlung Klasse und Kampf fest: »Zieht man die Trennung von Produktionsmitteln und die abhängige Lohnarbeit als Kriterien heran, dann war der Grad der Ausbeutung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sogar nie größer als heute.« Ausbeutung! Starker Tobak! Bemerkenswert, dass so ein Gedanke offenkundig keine Selbstverständlichkeit ist, denn, so zitieren Barankow/Baron die Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks: »Heutzutage ist es angesagt, über Themen wie Race und Gender zu sprechen, das weniger coole Thema ist Klasse.« In bestimmten, nun ja: Klassen mag das so sein, doch im Grunde gehören die drei Themen zusammen. Zumindest in der Klasse-und-Kampf-Anthologie und ihren Herkunftsberichten von auf unterschiedliche Weise von Ausgrenzung Betroffenen, vom erwartbar hemdsärmeligen Outcast-Posing Clemens Meyers bis zum lustig Anekdotischen bei Bov Bjerg – nicht zufällig populäre Autoren, die den »Aufstieg« geschafft haben. Wie auch Anke Stelling, die sich als eine sieht, die von »da« herkommt und weiß: »Nur muss die zumindest so weit rausgekommen sein, dass sie den Kopf zum Berichten frei hat.« Dass sie solche Berichte als »Texte aus den Niederungen« bezeichnet, spricht Bände. Und ist nicht auch zu fragen, warum sich das Schreiben in Klasse und Kampf auf dieses Berichten, auf vermeintliche »Authentizität« konzentriert? Oder, besser gesagt: reduziert? Es geht nicht um Handlungsutopien, um so etwas Altmodisches wie Solidarität, von »Kampf« ganz zu schweigen. Das gibt ebenso zu denken wie die Tatsache, dass kaum ein Text ohne den Begriff »Scham« auskommt. Nur dass es halt die Falschen sind, die sich da schämen. Es sind in der Regel nicht die, die das Geld erben.

Christian Baron, Maria Barankow: Klasse und Kampf. Claassen, Berlin 2021, 224 Seiten, 20 Euro