Kein Pfandbecher

Jasper Nicolaisen über das neueste Machwerk von Matthias Schweighöfer

Gestern ein Fernsehmedley von Matthias Schweighöfer gesehen. Furchtbar. Musik, als wäre gar keine Musik da, als hätte jemand schon beim Komponieren gedacht, es soll möglichst egal sein. Man hält beim Abwaschen inne und denkt, Radio kaputt? Ach so, da ist ja Musik, dachte, es wären Umgebungsgeräusche. Texte wie von einer KI aus allen Grönemeyer-Texten rausgeschrieben, aber vom betreuenden Informatikstudenten dann heimlich mit eigenem Tagebuchmaterial verschlimmbessert, eins der Lieder hieß auch »Du hast mich verschlimmbessert«, gereimt auf »... bin doch nicht dein Pfandbecher«. Gesungen mit »gefühlvoller« Knödelstimme, aber noch ganz viel Stimmgold drauf aus der »Maschine«.

Was mich zu meiner eigentlichen Frage bringt. Der Typ ist doch sauerfolgreich. Warum macht der auch noch so öde Musik? Er könnte doch sagen: Ich bin schon der Deutschfilmheld, da ist mein zweites Standbein irgendwas komplett Nischiges. Dixieland, Field Recordings, Atemtherapiebegleitung, wirre Cluster. Aber nein, nach Filmen, die nicht auffallen sollen, jetzt auch noch Musik, die nicht auffallen soll.

Wahrscheinlich ist das der Clou: Schweighöfer darf sein Markenprofil ausbauen, indem er auch als Musiker firmiert, und verleiht der Bäckerdutzendware, die man ihm auf den Leib autotuned, den Abglanz seines Kassenerfolges. Nur dank dieser Tünche funktioniert dieses Produkt als das, was es leisten soll: ein Produkt sein, wo immer schnell noch ein Produkt gebraucht wird, das man zwischen andere Produkte ins Regal, will sagen, in die Spotify-Playlist oder in die Gameshow stellen kann. Auch zum Beispiel Fugenkleber ist für sich genommen ein völlig gesichtsloses Produkt, das aber dringend gebraucht wird, damit die hässlichen Dinger nicht von der Wand fallen. Ebensowenig, wie man sich eine begeisterte Zielgruppe für Fugenkleber vorstellen kann, kann man sich eine solche für Schweighöfers Musik vorstellen. Sie ist einfach als Füll- und Dämmaterial für die eckigeren Kulturmöbel gedacht, aus denen man sich Individualität zimmern soll.

So gesehen ist es nicht völlig läppisch, sich zum Hass auf den harmlosen Kasper Schweighöfer aufzuraffen, statt einmal mehr den kalkulierten Skandalen von Rammstein oder Gzuz nachzurennen. Die absolute Produktförmigkeit seiner Musik ist auf ihre Art nicht weniger perfide als Nazirock, schon allein, weil Schweighöfer leichter als dieser die ganze Blödmaschine durchdringt, beschwingt und irgendwie ja auch bedingt mit seinem Reimschleim.

Dem Einzelnen sein Eigenheim abfackeln, gut und schön, doch ohne eine Kritik des Fugenklebers kommt die Weltrevolution auch morgen wieder nicht!

Jasper Nicolaisen