Kein Knall. Nirgends.

Die erste Amtshandlung des öffentlich-rechtlichen Senders war, mir als neuer freier Mitarbeiterin zu zeigen, wie man Sektflaschen so öffnet, dass der Hörer den Knall nicht hört. 

Weit davor, das Abi frisch in der Tasche, kannte ich nichts Eiligeres, als der dörflichen Enge zu entfliehen. Aber in Berlin fehlte mir dann bei schönem Wetter dieses vertraute tiefe Geräusch. Als Kind wohnte ich dicht am Truppenübungsplatz, und wenn die Sonne schien, war die Sicht gut genug für das Abfeuern der Panzergranaten. Ein dumpfes, wummerndes Knallen: ein sonniger Tag. Nichts ist, wie es scheint. 

Bevor nun die Bodentruppen zusammen mit dem Erbfreund Frankreich die großdeutschen Grenzen des vereinigten Europas in der Ukraine verteidigen, ist es wichtig, dass die Moral nicht durch russische Propaganda untergraben wird. Da hilft die Aufklärung der Öffentlich- Rechtlichen:

Nawalny ist ein lupenreiner Demokrat, ermordet von Putin. Seine kriminelle Vergangenheit, seine Zeit als Rechtsradikaler: nicht der Rede wert. Assange dagegen: ein Vergewaltiger, angeklagt wegen Hochverrats. Die öffentlich-rechtlichen Medien schaffen es, das in einer Sendung zu verkünden, ohne dass die Gegensätze in der Bewertung dieser strukturell so ähnlichen Fälle laut zusammenknallen.

Die Mutter von Nawalny beklagt am Tag nach seinem Tod, man würde sie nicht zu ihm lassen. Die Angehörigen der Mordopfer von Hanau beklagen, sie seien wochenlang nicht zu ihren toten Angehörigen gelassen worden. Kann man in ein und derselben Sendung bringen. Kein Krach. 

Am Todestag Nawalnys verkündet seine Witwe gefasst die Geschäftsübernahme auf der »Münchner Sicherheitskonferenz«, die früher »Wehrkundetagung« hieß, durch nichts demokratisch legitimiert ist und sich als beschlussfassendes Organ begreift. Wenige Tage später weiß ein SPD-Abgeordneter dem Bundestag mitzuteilen: Wer aus dem Mord an Nawalny nicht den Schluss zieht, dass Taurus jetzt endlich geliefert werden muss, ist kein Demokrat. Die Front steht. 

Der Vorstand von Rheinmetall ist etwas verdutzt: Die Kontakte zu Politikern seien bisher schwierig gewesen. Jetzt könne man sich vor Anfragen nicht retten und käme mit der Produktion nicht nach. Wer nun aber meint, aufgrund der Rendite-Erwartung im Hintergrund das Knallen von Sekt- …Tschulligung: Champagnerkorken zu hören, irrt gewaltig. Es ist nichts, wie es scheint. Nun, sagt der Vorstand, ist es an der Zeit, Rheinmetall die dringend benötigten staatlichen Subventionen zu zahlen. 

Lisa Politt