Diorama-Drama

Kafka turnt. Kafka prozessiert. Kafka kaut seine Nüsse vierzigmal. Kafka hat wieder die ganze Nacht geschrieben. Kafkas Vater hat kein Verständnis. Kafka hat sechs Folgen. 

Und die vergehen recht kurzweilig, finden ihr Mauseloch in der Geschichte des Ausstattungsfernsehfilms irgendwo zwischen »Berlin Alexanderplatz« und »Babylon Berlin« und werden vor allem vom Spiel Joel Basmans getragen, der mit sich fortschreitend verschlechternder Gesichtsfarbe Franz Kafka darstellt. Vieles in der Umsetzung ist dem Drehbuchautor Daniel Kehlmann und dem Regisseur David Schalko gelungen, nicht zuletzt dank der Mitarbeit Reiner Stachs. Er promovierte 1987 über Die ästhetische Konstruktion des Weiblichen bei Kafka. Diese profunde Kenntnis macht zusammen mit der glücklichen Wahl der Darstellerinnen die Episoden um Felice Bauer (Lia von Blarer) und Milena Jesenská (Liv Lisa Fries) zu den gelungensten. Dass zum Beispiel Milena und Franz während eines dreiviertelstündigen Spaziergangs ausschließlich aus ihren eigenen Briefen zitieren, fällt über dem lebendigen Spiel kaum auf. 

Die Serie ist weniger ein Panorama als eine Abfolge von Dioramen, in denen die Darsteller zum Teil wie lebende Bilder agieren: Die Prager Freunde um Max Brod bleiben größtenteils eine blässliche Crew von Bewunderern, die Frauen der Familie unscheinbar in der erdrückenden Präsenz des Vaters. Die Bürowelt streift immer wieder die Groteske und macht so überdeutlich, wo der Herr Doktor Hemmung und Anregung gleichermaßen empfangen hat. Überhaupt sahen sich Buch und Regie, dem übergroßen Vorbild ihres Themas entsprechend, zu diversen Verfremdungseffekten verpflichtet: Die vierte Wand ist löchrig, Robert Musil eine Hosenrolle, die Launigkeit des Off-Erzählers hat etwas von einer gefrorenen Axt im Walde, und wenn Lars Eidinger in seinen Fusselbart raunt: »Ich bin Rainer Maria Rilke«, ist der komische Zenit der Serie bereits früh erreicht. 

Ist der sechsgeteilte Kafka nun ein »Fest ambitionierter Erzählkunst«, wie die ARD verkündet, oder muss ein solches Projekt in Treue zu seinem Thema letzten Endes scheitern? »Im Feuilleton«, so Milena zu Franz, »kann man irgendwas behaupten oder das Gegenteil.«

»Kafka«. ARD-Sechsteiler. Regie: David Schalko; mit Joel Basman, David Kross; Deutschland 2024, Erstausstrahlung am 26./27. März, anschließend in der ARD-Mediathek

Martin Knepper