VON konkret

In konkret 6/23 schrieb Marten Brehmer darüber, wie der amtierende Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, durch gezielte Finanzspritzen, die Besetzung von Schlüsselpositionen sowie Hochschul- und Schulgesetze versucht, die akademische Freiheit in dem Bundesstaat abzuschaffen. Teil seiner Verblödungsoffensive ist das Gesetzesvorhaben »Let Kids Be Kids«, das nicht nur geschlechtsumwandelnde Operationen und Hormontherapien im Teenageralter und die Thematisierung von Genderfragen bis zur dritten Klasse untersagt, sondern auch »nicht jugendfreie, sexuell eindeutige Darbietungen« in Anwesenheit von Kindern verbietet. »Florida ist stolz darauf, der Vorreiter darin zu sein, für Kinder einzutreten«, so DeSantis. Der stramm rechte Gouverneur will das Kindeswohl gegen einen von links betriebenen Kulturkampf verteidigen: »Während die Welt verrückt wird, bietet Florida einen Zufluchtsort für geistige Gesundheit und ist eine Festung der Normalität.«

Natürlich zielt die neue Gesetzgebung nicht auf Kindeswohl oder Bildung, sondern darauf, Schwulen, Queer- und Transpersonen klarzumachen, dass sie nichts zu melden haben. DeSantis habe eigentlich »Anti-LGBTQ-Gesetze« eingeführt, vermutet auch Joe Saunders, Vorsitzender der Interessenvertretung Equality Florida. Entsprechend sagten die Organisatoren der diesjährigen Tampa Pride on the River die größte Pride der Stadt Mitte Mai ab, weil DeSantis’ Verbotsoffensive sich auch auf Drag-Shows beziehe, die nun mal ein Teil des Events seien. Drag-Shows werden zwar im Gesetzestext selbst nicht erwähnt, wohl aber in der Broschüre, die im Rahmen der diesbezüglichen Pressekonferenz des Gouverneurs verteilt wurde. Dort ist zu lesen, dass Drag-Shows »nicht jugendfreie Darbietungen« seien – »ohne ernsthaften literarischen, künstlerischen, politischen oder wissenschaftlichen Wert für die anwesenden Kinder«.

Auch der Deutsche tritt, wenn die Ressourcen knapper werden, den Weg in die Steinzeit an: Die im Juni veröffentlichte Pride-Studie des Ipsos-Instituts für Markt- und Sozialforschung misst einen Rückgang der Unterstützung für LGBTQ-Rechte: »Seit 2021 ist die Akzeptanz für die Ehe für alle und Regenbogenfamilien in Deutschland … stark gesunken.« Das nutzt nicht nur die AfD, die sich auf einem Höhenflug befindet (siehe das Interview mit Gideon Botsch auf Seite 3), sondern auch die Schwesterpartei CDU. Deren Bundestagsabgeordneter Jens Spahn warf in einem Interview mit der »Welt am Sonntag« der Regierung vor, bei ihrem »Kulturkampf« die Lebensentwürfe vieler Menschen herabzusetzen: »Millionen Menschen bekommen von einer großstädtisch geprägten Elite vermittelt, dass sie falsch leben«, dass sie das »falsche Auto«, das »falsche Haus«, die »falsche Heizung« und überhaupt falsche Vorstellungen hätten: »Selbst die Ansicht, ein Mann hat einen Penis und eine Frau nicht, gilt inzwischen in Teilen der Ampelkoalition als problematisch.« Es sei die »selbsternannte ›progressive‹ Ampelkoalition, die ein Fass nach dem anderen aufmacht: das Selbstbestimmungsgesetz, die Streichung der Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch, die Freigabe von Cannabis, ein neues Staatsbürgerschaftsrecht in Zeiten von Rekordmigration«. Wer das nicht wolle, sei noch lange kein Nazi, da müsse man differenzieren: »Die Verwischung der Begriffe rechts und rechtsradikal ist dabei nicht hilfreich. Wer ein Problem mit der Ehe für alle hat, ist noch lange nicht radikal oder schwulenfeindlich.« Sondern nur jemand, den Spahns Partei »zur Mitte hin« integrieren könne – schließlich ist diese Mitte dort, wo das Selbstbestimmungsgesetz, die Streichung der Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch, die Freigabe von Cannabis und ein neues Staatsbürgerschaftsrecht im Fass bleiben: »Wir als Union machen das nicht von uns aus zum Thema, wir forcieren diese Debatten nicht. Aber als bürgerliche Opposition können wir nicht schweigen, wenn die Regierung den gesellschaftlichen Frieden gefährdet«, vor allem »in diesen wirtschaftlich und sozial sowieso schon unsicheren Zeiten«.

Auf die »unsicheren Zeiten« bereitet Deutschland sich nicht nur durch verstärkte Hetze gegen Transmenschen, Schwule, Frauen und Migranten, durch die Abschaffung des Asylrechts, die Militarisierung der EU-Außengrenzen und eine Forcierung der globalen Aufrüstung vor, sondern auch durch das Bestreben, politischen Widerstand und Protest zu erschweren, ja möglichst abzuschaffen. Die Art und Weise, in der Staatsgewalt und Mob gegen denkbar harmlose Formen des Protests vorgehen, beschreibt Peter Bierl auf Seite 27.

Weil Ernst Kahl zu unserem Bedauern noch nicht genesen ist, hat sich Wenzel Storch bereit erklärt, ihn bis zu seiner Gesundung zu vertreten (siehe Seite 40). Die Redaktion dankt Wenzel Storch und wünscht Ernst Kahl weiterhin gute Besserung!