Bürger-Hartz

Dass es am Ende so schnell und mühelos vonstattenging, ließ selbst Friedrich Merz staunend zurück. Innerhalb von Stunden einigten sich Ampelkoalition und Union im Vermittlungsausschuss auf einen Kompromiss beim Bürgergeld. Die Sozialdemokraten beerdigten damit in Rekordzeit ihre vollmundig versprochene »größte Sozialreform der vergangenen zwei Jahrzehnte«. Dabei war das Bürgergeld von Anfang an nicht als Überwindung des Hartz-Systems konzipiert, sondern als dessen modernisierte Fortsetzung. Im Vermittlungsausschuss wurden nun auch die angedachten mickrigen Verbesserungen etwa beim Schonvermögen, bei Sanktionen und Zwangsumzügen kassiert.

Vorangegangen war der Einigung ein zynischer Wettbewerb der Schäbigkeit. AfD und Union bedienten erfolgreich das Narrativ des faulen und unwilligen Arbeitslosen, den man nur durch harte Strafen zur Arbeit disziplinieren kann, und hatten in Meinungsumfragen schnell zwei Drittel der Befragten hinter sich. Der Hass auf die Armen, bei gleichzeitiger Angst, bald selbst dazuzugehören, mobilisiert noch immer erfolgreich die deutsche Volksseele.

Für die Betroffenen bleibt mit dem Bürgergeld letztlich alles beim Alten: Bevormundung, Einschüchterung, Stigmatisierung, Existenzangst und Armut per Gesetz bestimmen ihren Alltag. Erwerbslose werden weiterhin durch ein kafkaeskes Sanktionsregime gedemütigt, in sinnlose Maßnahmen gesteckt, müssen Zwangsumzüge über sich ergehen lassen und fristen ein Dasein am Rande des Existenzminimums.

Schoben SPD und Grüne das Scheitern ihrer Projekte bisher meist dem liberalen Koalitionspartner in die Schuhe, hat man nun mit der Union den Schuldigen gefunden. Tatsächlich wurden die Sozialdemokraten jedoch mit ihren eigenen Waffen geschlagen und
der von ihnen einst geschaffene »beste Niedriglohnsektor in Europa« (Gerhard Schröder) aus Leiharbeit, Werkverträgen, Minijobs und anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen gegen sie verwendet. Nur dank dieser Glanzleistung der letzten sozialdemokratisch geführten Bundesregierung ist es der Union heute möglich, gegen ein Almosen von 500 Euro glaubhaft das Lohnabstandsgebot in Anschlag zu bringen.

Stefan Dietl