Kram in the Cloud

Thomas Schaefer über Sprache und Ideologie der digitalen Pioniere

Patricia Reiners ist »UX/UI-Designerin« »mit Fokus auf Innovation, AR und VR sowie Metaverse-Projekte«, liebt den »All-Time-Favorit: Das Buch!«, ist aber ansonsten zeitgemäß drauf: Auf die Frage, welche »Tools« sie unbedingt braucht, sagt sie: »Noise-Cancelling-Kopfhörer und einen Timer. Ich arbeite jeden Tag in Fokus-Sprints mit 25–45 Minuten Fokus und danach 5–15 Minuten Entspannung.« Ähnlich »Karriereguru« Tobias Jost: »Meine Apple Watch erinnert mich daran, ausreichend in Bewegung zu bleiben. Und Slack ermöglicht es mir und meinem Team, auch remote eng in Kontakt zu sein.« Und zwar bitte nicht analog, denn »Text und Bild gehören der Vergangenheit an«. Aylin Karabulut dagegen, »Chief Business Development Officerin«, guckt »ganz oldschool« »Tagesschau«! Wohingegen sich Maxi Gräff, »Integrated Marketing Lead für Xbox DACH«, fit hält mit »einem Mix aus Social, Web, Follower-Listen, Ranking-Seiten und Reddit«.

Thomas Zimmermann, »Chief Marketing Officer bei der Mobilitätsapp Free Now«, schaltet »am besten mit meiner Playstation« ab. Meistens ist er unterwegs: »Ich bin viel unterwegs, und um dann in jeder Situation up to date zu sein und gegebenenfalls schnell neue To-dos zu generieren, brauche ich einen zentralen digitalen Hub aus E-Mails, Slack-Nachrichten und Meeting-Notes«, alles »definitiv hybrid« und »in der Cloud«.

Der Cloud-Vorteil: Man braucht nicht viel Kram. Wenn man aber doch mal rausmuss, kann man sich an Toan Nguyen orientieren. Der Geschäftsführer von Jung von Matt Nerd nimmt mit: »natürlich eine Vielzahl an Coins, wofür ich mir einen Ledger Nano 5 gekauft, bislang aber nicht konfiguriert habe. Auch dabei: mein ›Bigarade Concentrée‹-Parfüm, das wirklich niemand sonst trägt, mein Blackroll-Gurt für eine gute Haltung sowie Beißschiene und Nagelfeile.« Beißschiene? Beißschiene.

Diese Leute sind keine sonderbaren Figuren aus einer Satire, sondern Protagonisten des Magazins »t3n digital pioneers«, das sich in seiner aktuellen Ausgabe dem Thema »Let’s go health. Von VR-Fitness bis Body-Hacks: Wie Health-Tech uns voranbringt« widmet und dabei differenziert vorgeht: »Trotz allem Wunsch nach Selbstoptimierung sollten wir nicht vergessen, dass es auch mal Wichtigeres gibt als die Schrittebilanz«, heißt es im Editorial. Und: »Man sollte die eigene Lebensführung nicht an Empfehlungssysteme delegieren.« Durchaus aber an in »t3n« propagierte digital pioneers – »mit solchen zusammen mußt du nun in die Arena« (Peter Rühmkorf).