Toxic Relationships

Luise Nörding über die ARD-Produktion „Wie Gott uns schuf“

Zu Beginn von »Annie Hall« zitiert Woody Allen einen Witz Groucho Marx’, der, so Allen, ursprünglich aus Sigmund Freuds Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten stamme: »Ich möchte nie einem Club angehören, der so jemanden wie mich als Mitglied aufnimmt.« Schade, dass die Sendung »Wie Gott uns schuf«, die die ARD anlässlich des Coming-outs von 100 Angestellten der katholischen Kirche produzierte, nicht mit dieser Szene anfängt. Sie hätte das, was folgt, vielleicht erklären können.

Statt dessen eröffnen diesen wohlmeinenden Dokumentarfilm ein katholischer Priester, der sich über eine Regenbogenflagge auf dem Altar beugt, und eine junge Frau, die sich bittend ans Publikum wendet: »Wenn ihr wüsstet, wieviel ich gebetet und gebangt habe, dass das nicht so ist. Ich hab’ mir das nicht ausgesucht.« Eigentlich hätte sein Titel genügt, um zu wissen, in welche Richtung der Film steuert: in eine Zeit, als ein Coming-out noch ein tränenreiches Schuldbekenntnis und flehendes »Bitte verstoße mich nicht!« war. Und dieser Film tut nicht nur so, als wäre diese obligatorische Zeitreise ins Mittelalter kein Problem, sondern bekundet Verständnis und Respekt für den Konflikt, in dem die Kirche sich deshalb befindet: »Die katholische Kirche in Deutschland ringt mit sich selbst. Die Bischöfe ringen untereinander und mit den Verlautbarungen des Vatikans.«

Noch mehr Verständnis zeigen nur die queeren Kronzeugen, die der Film aufruft: »Für Ralf Klein ist die Kirche ein Ort der Mitmenschlichkeit und der Toleranz. Für viele Menschen, die wir hier im Film zeigen, ebenso.« Dieselben Menschen, die unter Tränen erzählen, dass die Kirche sie dazu gebracht hat, sich und ihre Lieben zu verstecken, sich selbst zu hassen oder gar umbringen zu wollen, beteuern anschließend: »Das größte Risiko ist quasi, aus der Kirche herauskomplimentiert zu werden. Den Ort, den ich als Berufung verstanden habe, entrissen zu bekommen.« Dass die Ausgegrenzten sich für den Verein in die Bresche werfen, dessen Funktion es seit 2.000 Jahren ist, Ungleichheit und Ausgrenzung zu legitimieren, das verstehen nur Freudianer – und Katholiken.