Ufftata

Vor 150 Jahren wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet. Von Tim Wolff

Im Januar 1871 kam zur Welt, was sie beherrschen will, es aber so schlecht kann, dass es immer wieder aus Minderwertigkeitskomplexen töten und morden muss: Deutschland. Und zwar in Form eines monarchischen Reiches, angeführt von Kaisern aus der auch für Adelsverhältnisse mit erstaunlich vielen grausamen oder dummen oder grausam dummen Männern durchsetzten Familie der Hohenzollern und gestaltet von einem eisern reaktionären Namenspatron für sauren Fisch.

Ab da gab es zu allem Elend das, was dem sich Europa nennenden Westteil Asiens noch gefehlt hatte zum Weltverheerungsglück: Ufftata und Täterätä – und vor allem jede Menge Bums. Denn keine vernünftige Weltreichsgründung ohne Krieg. Kein Deutschland ohne seinen einzig siegreichen: den gegen Frankreich 1870/71, der mit einem Frieden gegen den Nachbarn endete, der dem Versailler nach dem ersten deutschen Weltkrieg dann Vorbild war – der wiederum für Hitler und den zweiten deutschen Weltkrieg von den akuten Deutschen verantwortlich gemacht wird, weil sie selbst es ja nicht gewesen sein können. (Sofern sie sich überhaupt noch mit ihrer doch längst von ihnen vorbildlich bewältigten Geschichte beschäftigen.)

Kaum eine Untat, kaum ein Verbrechen, kaum ein Greuel in Sachen Krieg, den die Deutschen nicht zuerst begangen hätten – also programmatisch auch schon im Geburtskrieg: Errungen wurde der Sieg gegen die Franzosen nicht zuletzt mit dem ersten Artillerietrommelfeuer auf Menschen, auf eingekesselte, bereits geschlagene Soldaten in Sedan. So grausam, dass sogar der Hohenzollern-Kronprinz die per Fernrohr beobachtete Szenerie als »widerlich-peinlich« einordnete.

Aber längst nicht widerlich-peinlich genug, um alsbald noch einiges draufzusetzen: Bis zu seinem verlustreichen Ende gelang es dem ersten der vielen misslungenen deutschen Staaten noch, zuerst Giftgas einzusetzen, Flammenwerfer auf Schützengräben zu richten und per U-Boot-Krieg Tausende zivile Schiffe zu versenken. Ein gern verdrängtes Vorspiel zu den einmaligen Exzessen der Deutschen in ihrer Nazi-Ausprägung.

Der deutsche Wunsch, eine Ausnahme zu sein, auch im Schrecken, verdeckt, welch grundverdorbener Haufen Deutschland zuvor schon gewesen war. Dass die Nazis den Deutschen der Weimarer Republik nicht abwegig, sondern größtenteils willkommen erschienen, als sie ihre erste parlamentarische Demokratie endlich loswerden konnten, ist auch Errungenschaft dessen, was vor 150 Jahren geboren wurde.

Kurz: Deutschland hätte es seit nun 150 Jahren gar nicht erst geben dürfen.

Tim Wolff