Buddeln für Deutschland

Johannes Creutzer über die »Einheits-Expo: 30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland«

Eigentlich sollten die Deutschen »auf einem rauschenden Bürgerfest« die deutsch-deutsche Perlenhochzeit feiern. Doch dann kam Corona, und das Bundesland Brandenburg, Ausrichter der Siegesfeier von »Freiheit, Vielfalt und Demokratie«, entschied sich »für einen verantwortungsvolleren Weg« mit der Devise »Abstand halten und trotzdem dabei sein«. Gegeben wird die »Einheits-Expo: 30 Jahre – 30 Tage – 30 x Deutschland«, auf der man mit »30 Installationen und Ausstellungsflächen« Bundesländer und Verfassungsorgane kennenlernen sowie »Deutschland erfahren« könne. Die patriotische Achtsamkeitsübung kann – ganz modern, obgleich in schlechter Bildqualität – auch online absolviert werden. Sie soll »in schweren Zeiten ein Gefühl der Leichtigkeit vermitteln«. Weil es aber nur 16 Bundesländer gibt und selbst die Bundeswehr nur eine, wenn auch überdimensionierte Fläche zur Verfügung hat, dürfen die »Premiumpartner« vom Stahl- und Bergbaukonzern Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt und dem Ostdeutschen Sparkassenverband je eine der restlichen Expo-Flächen besiedeln.

»Wir miteinander« und »Deutschland ist eins: vieles« sind als alternierende Mantras genauso omnipräsent und bedeutungsschwanger wie substanzlos. Trotz Einheitsgefasel zeigt nicht erst die Covid-19-Pandemie die Uneinheitlichkeit Wiedergroßdeutschlands – gerade Ostdeutschland lehnt bundesweite Corona-Regelungen ab. Denn 30 Jahre soziale Isolation plus Kapitalmangel brachten immerhin geringe Infektionszahlen. Ganz ähnlich geht den Ostdeutschen der Tod der Kulturszene am dörflichen Arsch vorbei – What is dead may never die.

Die alljährliche Bräsigkeit der Einheitsfeierei fällt sogar den Ausrichtern auf, die »den Festakt am 3. Oktober revolutionieren« wollen und dafür das kulturelle Äquivalent einer Bahnsteigkarte aufbieten: Ein Kessel Buntes mit Musik- und Showeinlagen soll die öden Ansprachen aufpeppen. Durch den Abend (live in der ARD) führt neben Anna Loos, die als ostdeutsche Frau gleich zwei Quoten erfüllt, Volkes Liebling Günther Jauch. Bevor sie sich abends vor den Empfangsgeräten berieseln lassen, pflanzen alle echten Deutschen tagsüber noch einen Baum. Der Deutsche gräbt gern in seinem blutigen Boden, und Bäume, insbesondere Eichen, die schon Luther, Bismarck und Hitler zu Ehren ge(r)eicht haben, findet er auch toll. Also: Heraus zum »Einheitsbuddeln«, denn »der Wald schafft Einheit« und verbindet als »traditionelles deutsches Thema«. Doch immer noch besser, die Deutschen buddeln in ihrem heimischen Sandkasten, als anderen Gruben zu graben.

Johannes Creutzer