Zwanghaft

Friedrich C. Burschel über die Verhältnisse in deutschen Flüchtlingsunterkünften während des Ausnahmezustands

Wer in Deutschland Asyl beantragt, musste schon immer während des Verfahrens, oft über Jahre, Einschränkungen der Grund- und Freiheitsrechte hinnehmen. In Zeiten der Covid-19-Pandemie werden Geflüchtete vollends zur Manövriermasse eines rassistischen nationalen Infektionsschutzregimes. Wo die in Sammelunterkünften eingepferchten Menschen sich wehren, werden sie mit Polizeigewalt niedergehalten und der Obhut bestenfalls überforderter Verwaltungen und brutaler »Sicherheitsdienste« übergeben. Sporadische Proteste von außen gegen Quarantänemaßnahmen unter miserablen sanitären Bedingungen werden als Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz kriminalisiert – die seuchenbedingte Suspension des Rechtstaats macht’s möglich.

Anfang April kam es in und um die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber (ZASt) in Halberstadt zu einem solchen Polizeieinsatz. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt sprach von chaotischen Zuständen. Schon kurz nach Anordnung der Quarantäne wegen einiger Corona-Infizierter im Lager standen weder Seife noch Binden noch Klopapier zur Verfügung. Laut der Verwaltung müssten die Bewohner/innen sich derlei von ihrem Taschengeld selbst kaufen. Darauf aufmerksam gemacht, dass die Menschen unter Quarantäne eingesperrt seien, regte man an, die Einkäufe – für alle 850 Insassen! – von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Anstalt erledigen zu lassen. Diese dürfen die Einrichtung jederzeit verlassen und gehen abends nach Hause. Infektionsschutz? Fehlanzeige. Mehrfach wurden Infizierte mitten in der Nacht in die Isolation abtransportiert. Die durch Flucht- und Rassismuserfahrungen Traumatisierten gerieten in Panik. Einige der Eingesperrten traten in einen Hungerstreik und machten so auf ihre Lage als Menschen zweiter Klasse in einem der reichsten Länder der Welt aufmerksam.

Halberstadt ist kein Einzelfall. Schon Mitte März wurden im thüringischen Suhl Proteste der über 500 Insassen der dortigen Unterkunft von Repressionskräften mit Wasserwerfern unterbunden. Auch im brandenburgischen Potsdam regte sich Widerstand gegen die entwürdigenden »Schutzmaßnahmen«. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat Strafanzeige gegen Markus Söders Staatsregierung erstattet, weil sie mit der fortdauernden massenhaften Unterbringung von Geflüchteten auf engstem Raum etwa in den sieben sogenannten Ankerzentren im Freistaat gegen ihre eigenen seuchenhygienischen Vorgaben verstoße. Erfolgsaussichten? Eher gering.

Friedrich C. Burschel