Florian Sendtner über 150 Jahre Adenauer
Mit einer Blickwendung nach rechts empfingen Bundeswehr und Grenzschutz das prominente Geburtstagskind vor dem Palais Schaumburg. In 14 Kanzlerjahren durch 14 Kanzlergeburtstage bestens geübt, hatte das Protokoll diesen Tag mit leichter Hand geregelt.« Man spürt es heute noch, wie das deutsche Volk (West) bei der Ufa-Wochenschau im Januar 1963 geistig strammstand und die Hände unaufgefordert an die Hosennaht legte. Was allerdings auch sein Gutes hatte, weil so manche rechte Hand zu gern einem anderen vertrauten Reflex gefolgt wäre. »Konrad hieß der neue Adolf«, wie Josef Bierbichler in seinem Roman Mittelreich die Ära Adenauer kurz und schmerzlos auf den Punkt bringt.
»Die Augen rechts!« lautete das Kommando in den bleiernen Jahren von 1949 bis 1963, das räumt man auch auf »Konrad Adenauer«, dem »Online-Portal zum Leben und Werk« des ersten deutschen Bundeskanzlers, freimütig ein. Ja, der Kommentator der Nürnberger Rassengesetze, Hans Globke, wurde nach einer kurzen Karenzzeit Kanzleramtsminister. Weil der Alte nun mal Globkes »Kompetenz, Effizienz und Loyalität schätzte«. Ja, dann! Außerdem sei die freundliche Beförderung alter Nazis in hohe und höchste Stellungen doch Grundlage dafür gewesen, »dass sich die politische Polarisierung der Zwischenkriegszeit nach 1949 nicht wiederholte« – mit anderen Worten: Man sollte dankbar dafür sein. Gibt es sonst noch Fragen zum 150. Geburtstag am 5. Januar, der übers ganze Jahr mit allerlei Festlichkeiten begangen wird?
Ja, doch, eine Frage wäre da noch: Mal abgesehen davon, dass Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz seine Beteuerungen, niemals mit der AfD zu kooperieren, gleichzeitig demonstrativ Lügen straft – steht er nicht nachgerade in der Pflicht, wenn man an den Bleiernen denkt? Der hatte schließlich vor 1933, als er noch hoher Funktionär der Zentrumspartei war, seinem Vorsitzenden zur Koalition mit der NSDAP geraten.
Die größte Katastrophe der NS-Zeit scheint für den Rosenzüchter von Rhöndorf sowieso gewesen zu sein, dass es die Sozialdemokratie nach zwölf Jahren Verfolgung und Dezimierung immer noch gab. So dass er sich gezwungen sah, sich von 1953 bis 1962 durch BND-Chef Reinhard Gehlen und Globke, die zwei Spitzel im SPD-Vorstand kauften, über die neuesten strategischen Überlegungen der Genossen informieren zu lassen. Konrad Adenauer, ein lupenreiner Demokrat.
Florian Sendtner
