Crux Bavarica

Dass der bayerische Ministerpräsident von der CSU gestellt wird, ist seit 1957 in der Landesverfassung verankert. Lange galt auch als quasi göttliche Vorgabe, dass er katholisch zu sein habe. Günther Beckstein, 2007 als erster Protestant gewählt, wurde 2008 gleich wieder abgewählt. Kein Wunder, dass Markus Söder nach seiner ersten Wahl zum Ministerpräsidenten im März 2018 tunlichst bemüht war, einen unausgesprochenen Verdacht auszuräumen: dass er als Protestant eigentlich nicht qualifiziert sei für das Amt. Evangelisch ist für orthodoxe Katholiken gleichbedeutend mit ungläubig.

Was macht ein Windbeutel wie Söder in solch einer Situation? Genau: er posiert mit einem massiven Wandkreuz 
in der Hand im Foyer seines Amtssitzes und verkündet einen »Kreuzerlass«, demzufolge »im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes« ab sofort »gut sichtbar ein Kreuz anzubringen« sei. Der PR-Trick funktionierte bestens. Selbst die Empörung des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx darüber, dass das Kreuz im Söder-Erlass zum »Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns« degradiert wird, war wie von einer Werbeagentur erdacht: Für den biederen Landmann zählt die Aufhängung von 1.100 zusätzlichen öffentlichen Kreuzen (so viele Behörden gibt es in Bayern), der Einspruch eines Obermuftis dagegen erscheint da wie eine Erschwernis, die die Heldentat zusätzlich adelt.

Der vom Münchner Bund für Geistesfreiheit bemühte Bayerische Verwaltungsgerichtshof kam sich 2022 vermutlich sehr mutig vor, als er sich der erzbischöflichen Schelte des Kreuzerlasses einerseits anschloss. Um gleichzeitig Söder die juristische Absolution zu erteilen: Ein Verstoß gegen die staatliche Neutralitätspflicht durch die »bloß passive Verwendung eines religiösen Symbols ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung« sei keiner. Da ballte wohl der Erzbischof die Faust in der Soutane: Wie, das Kreuz ohne missionierende Wirkung? Das grenzt an Blasphemie!

Das Bundesverwaltungsgericht vollendete die Paradoxie nun vorläufig mit seinem Spruch, Söders Kreuzerlass sei rechtens, gerade weil er das Kreuz so niedrig hänge. Das abschließende Urteil des Bundesverfassungsgerichts könnte bis zum Ende von Söders Amtszeit auf sich warten lassen. Der Windbeutel in der Staatskanzlei lehnt sich genüsslich zurück.

Florian Sendtner