VON konkret

Seit dem 7. Oktober ist nicht nur gewiss, dass Juden nirgendwo – weder in Israel noch in der Diaspora – in Sicherheit sind, sondern auch, dass jeder Gedanke an eine deutsche Linke, die bei allen inhaltlichen Differenzen in wesentlichen Fragen gemeinsam wirken könnte, aufgegeben werden muss. Es ist dies ein – ausnahmsweise glücklicher – deutscher Sonderfall. Die britische, amerikanische, spanische, indische, südafrikanische usw. Linke steht geschlossen gegen Israel, dessen Zerstörung, wie der philippinische Geistliche und römisch-katholische Bischof, Manolo De Los Santos, auf seinem People’s Forum in New York sagte, das Ende des Kapitalismus einleiten werde: »Wenn wir endlich den letzten Schlag zur Zerstörung Israels ausführen, wenn der Staat Israel endgültig zerstört und aus der Geschichte getilgt ist, wird das der wichtigste Schlag sein, den wir zur Zerstörung des Kapitalismus führen können.« Im aktuellen Heft widmet sich das Interview mit dem Historiker Jean-Numa Ducange (siehe Seite 3) dem Antisemitismus der französischen und das Stück von Andrei S. Markovits (siehe Seite 38) dem der amerikanischen Linken.

Die deutschen Sektierer, die glauben, Israel müsse als einziger Ort, an dem Juden vor antisemitischer Verfolgung wenigstens relativ sicher sind, verteidigt werden, machen die Globale Linke immer mal wieder staunen. Anlässlich des Überfalls der Hamas fragt ein James Jackson im britischen Mediaorgan »Novara«: »Was ist los mit der pro-israelischen Linken Deutschlands?« und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dieser eigenartige Verein habe, nachdem er »Jahre an der politischen Seitenlinie … verbracht hat, … nun seine pro-israelischen politischen Ziele effektiv erreicht …. Ihre ehemals radikal islamfeindlichen Ansichten über den israelisch-palästinensischen Konflikt sind zum Mainstream geworden, da das Land nach dem jüngsten Aufflammen der Gewalt zwischen Israel und der Hamas die Unterstützung Palästinas als antisemitisch kriminalisieren will.« Bedauerlich, dass die Mitgliedschaft in einer »sehr erfolgreichen Bewegung« sich auf den Kontostand des Verlags nicht auswirkt.

Im letzten Monat sind unter anderem 200 Abos neu abgeschlossen worden. Verlag und Redaktion danken – auch für die Unterstützung durch Spenden, KG-Einlagen, Solianzeigen oder mediale Verbreitung. Der Dank gilt den Leserinnen und Lesern sowie den Autorinnen und Autoren ebenso wie der »Titanic«, dem »Neuen Deutschland«, »Analyse und Kritik«, der »Jungle World«, dem Verbrecher Verlag, der »Jungen Welt« und vielen anderen.

So kann und muss es weitergehen! Denn gerettet ist noch lange nicht. Sorgen Sie mit Spenden und dem Abschluss eines Abos dafür, dass Deutschlands wichtigste linke Zeitschrift erhalten bleibt. (Siehe auch den Spendenaufruf auf Seite 8.)

Die »Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Analyse politischer und religiöser Extremismen in Niedersachsen« am Institut für Demokratieforschung der Georg-August-Universität Göttingen veröffentlichte in der Dezemberausgabe der von ihr herausgegebenen Zeitschrift »Demokratie-Dialog« ein Stück mit dem Titel »Das Imperium schlägt zurück. Über linke Orientierungsschwierigkeiten während des Ukrainekriegs«. Darin werden ausschließlich anhand von in erschienenen Texten die wichtigsten linken Positionen und Streitpunkte einer Debatte dargestellt, die im Heft angeblich nicht stattfinden durfte.

Entgegen anders lautenden Theorien und Gerüchten: Niemand, der für arbeitet oder schreibt, macht sich über Putin oder seine Politik Illusionen. Dass er mitsamt seiner reaktionären und nationalistischen Diktatur nicht faschistisch genannt wird, gebietet jedoch der die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands besiegelnde Kampf der Roten Armee, der jeden Antifaschisten zu Dankbarkeit gegenüber der Sowjetunion, ihrer Bevölkerung und deren Kindern und Kindeskindern verpflichtet.

Um was für einen Staat es sich bei Russland handelt, zeigt nicht zuletzt der Umgang seiner Justiz mit dem linken Soziologen Boris Kagarlitsky, der am 25. September letzten Jahres festgenommen und nach Syktyvkar ins Gefängnis verbracht wurde. Ihm wurde vorgeworfen, »den Terrorismus zu rechtfertigen«.

Am 12. Dezember 2023 wurde Kagarlitsky freigelassen, am 15. Januar 2024 beschreibt er auf der Internetseite »Russian Dissent« (https://russiandissent.substack.com/) seine Haft als … Kollateralschaden in einem Kampf um die Macht. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Ball auf einem Fußballplatz, auf dem zwei Profiteams spielen. Sie kicken dich einfach, und du kannst nur versuchen, den Verlauf des Spiels anhand deiner Gefühle zu analysieren.

Seine Freilassung verdankt Kagarlitsky vor allem der weltweiten Solidaritätskampagne, die sich während seiner Haft entfaltete. Er wurde zu einer Geldstrafe von 600.000 Rubel verurteilt, ein Betrag, den die Abonnenten des Rabkor-YouTube-Kanals schon am Folgetag zusammen hatten. Außerdem ist ihm verboten, zu unterrichten und Internetseiten und YouTube-Kanäle zu verwalten. Für das aktuelle Heft schrieb Kagarlitsky zusammen mit Anna Otschkina über den Philosophen Ewald Iljenkow (siehe Seite 54).