Wildes Herz

Wildes Herz

Nicolai Hagedorn schreibt über „Wildes Herz“, einen Film von Charly Hübner.

Wildes Herz

12.04.2018 15:53

Nicolai Hagedorn schreibt über „Wildes Herz“, einen Film von Charly Hübner.


Regie: Charly Hübner/Sebastian Schultz; Deutschland 2017 (Neue Visionen); 90 Minuten

Das mit dem Singen mag nicht recht klappen. Die erste Szene in diesem Dokumentarfilm zeigt den Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet beim Versuch, eine Tonspur einzusingen – der damit endet, dass der Produzent um eine Pause bittet.
Der Film rekonstruiert das Leben von Jan Gorkow, besser bekannt als Monchi, geboren 1987 in Mecklenburg-Vorpommern, und zeigt im konventionellen Dokustil eine Sozialisation zwischen Grundschule, liberalem Elternhaus und Kirchengemeinde. Gorkow ist immer mit Eifer und Überzeugung bei der Sache, egal, ob als Jugendlicher beim Vortragen von Coverversionen, unter Hansa- Rostock-Hooligans oder später als Organisator von Anti-Nazi-Festivals in der Mecklenburger Provinz.
Dass eine Rampensau wie Gorkow nur auf einer großen Bühne landen kann und dass es dabei egal ist, was er da genau macht, zeigt der Film anschaulich. Das Engagement gegen den grassierenden Rechtsradikalismus ist zentrales Thema, und die Szenen, in denen Gorkow sich diebisch und ein bisschen infantil darüber freut, den Faschos in irgendeinem entlegenen Nest wieder einmal ein Schnippchen geschlagen zu haben, gehören zu den schönsten.
Leider kommt das Regiedebüt des Schauspielers Charly Hübner seinem Protagonisten nicht wirklich nahe, was vor allem daran liegt, dass Hübner jeder kritischen Konfrontation aus dem Weg geht. Das politische Interesse an Gorkow endet bei dessen Anti- Nazi-Attitüde. Kritik erschöpft sich in den sehr verständnisvollen Klagen der Eltern über den ehemals wild Pubertierenden, der Beschwerde eines Mitbewohners über Alltägliches und den etwas ernsteren Vorwürfen einer »ehemaligen Freundin«, die sich über den Narzissmus des Helden beklagt. Hübner geht solchen Misstönen nicht nach, genausowenig wie der Bigotterie in einem Geschäft, das antifaschistisches Engagement sehr gezielt in Verkaufs- und Vermarktungsstrategien einzubinden weiß.
Ein Regisseur, der sonst in TV-Polizeipropaganda- Produktionen wie »Polizeiruf 110« den guten Cop gibt, wird auch gar nicht genau wissen wollen, was mit »Niemand muss Bulle sein«, einer der Liedzeilen, die Feine Sahne Fischfilet berühmt gemacht haben, gemeint ist. Ob Gorkow dazu mehr als ein cooler Spruch eingefallen wäre? Das herauszufinden hätte eine sinnvolle Aufgabe eines solchen Films sein können.
Nicolai Hagedorn