Hin und weg

Thomas Schaefer über die Wiederauferstehung des Palasts der Republik im Humboldt-Forum

Ein Zyniker ist laut Ambrose Bierce (den man ja auch mal wieder zitieren kann) ein »Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten«. Und ein Narr ist entsprechend, wer Böses dabei denkt, wenn er zur Kenntnis nehmen muss, was die Stiftung Humboldt Forum in dem, unter rührendem Engagement auch rechter Personen, wieder erbauten Berliner Stadtschloss veranstaltet.

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Mit maximaler Stärke

Oliver Kahn klebt wieder im Tor, Nancy Faeser markiert die Abwehrchefin, und Jessy Wellmer wurde ausgewechselt. Außerdem hat die Uefa sich in nur zwölf Monaten zehn Stadionnamen ausgedacht. Von Cornelius W. M. Oettle

Kurz nach den Europawahlen beginnt das wichtigste europäische Ereignis des Jahres: Vom 14. Juni bis zum 14. Juli will sich Gastgeber Deutschland bei der Herrenfußballeuropameisterschaft von seiner besten Seite zeigen. Was nicht einfach wird: Im »Expat Insider«, der sich regelmäßig nach den Arbeits- und Lebensbedingungen von Ausländern erkundigt, rangiert Deutschland auf Platz 49 von 53. Besonders, wenn auch nicht besonders überraschend, schlecht schneidet die BRD in den Kategorien »Local Friendliness«, »Finding Friends« und »Culture & Welcome« ab. Aber gut, die Fußballfans empfangen wir sicher netter. Da weiß man ja: Die gehen wieder.

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Der letzte Dreck 6/24

Karl Mang über Robert Menasses Die Welt von morgen. Ein souveränes demokratisches Europa – und seine Feinde.

Die Europäische Union muss arg lädiert sein, wenn als ihr wichtigster Hofsänger im deutschen Sprachraum einer gilt, der singt wie eine Säge und Sätze zusammennagelt, die bei der kleinsten Berührung zerfallen wie ein Haus aus gezinkten Karten: „Man sieht so manches deutlicher im Licht der untergehenden Sonne. Manche besonnen. Aber manche geblendet.“ Wie Geblendete jedoch überhaupt etwas sehen können und „deutlicher“ zumal, weiß kein Mensch außer Robert Menasse – der es natürlich auch nicht weiß, sondern mopsfidel hinschreibt, was ihm gerade durch den Schädel rauscht, und es zum Schaden des europäischen Baumbestands anschließend veröffentlicht.

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Codename »Sonja«

Wie Ursula Kuczynski als Spionin gegen die Nazis kämpfte und ein Kapitel Weltgeschichte schrieb, ist nun unzensiert in einer Neuausgabe von Sonjas Rapport nachzulesen. Von Sabine Lueken

Ursula Maria Kuczynski, Oberst der Roten Armee und Trägerin zweier Rotbannerorden, schrieb unter dem Pseudonym Ruth Werner Kinderbücher und wurde 1977 berühmt mit dem Buch Sonjas Rapport, in dem sie – abgesegnet von Moskau, Honecker und Markus Wolf – über ihre Agentenkarriere berichtete. Das wichtigste Detail durfte sie damals allerdings nicht veröffentlichen. 1991 erschien eine etwas umfangreichere Ausgabe in Großbritannien, 2006 dann im ehemaligen DDR-Verlag Neues Leben. Nun – »aufgrund großer Nachfrage« – erfolgt die Neuauflage. Ergänzt werden Kuczynskis Erinnerungen durch den Abdruck eines Gesprächs, das der Journalist Rudolf Hempel 2006 mit ihren Kindern führte.

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Holiday in Hungária

Die Plakatkampagnen der Fidesz-Regierung dürften vielen bekannt sein. Besonders im Vorfeld von Wahlen (im Juni sind EU- und Bezirkswahlen) sollen sie Stimmung gegen oppositionelle Politiker/innen machen. Ein wiederkehrendes Motiv stellt der in Ungarn geborene Fondsmanager, Milliardär und Philanthrop George Soros dar. Er bezahle seine »Söldner« in Ungarn und der EU, um die ethnisch-ungarische und christliche Kultur Ungarns durch Migration zu zerstören; eine Verschwörungstheorie, die bei der AfD unter »Umvolkung« und der amerikanischen Rechten unter »The Great Replacement« firmiert. Seit März hängen aber Plakate, die Fans des frühen US-Punk sofort ins Auge fallen.

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My body, their choice

Nicht nur die AfD arbeitet gegen die Selbstbestimmung der Frau. Von Klara Hohnke

»Den demografischen Fehlentwicklungen in Deutschland muss ... mittels einer aktivierenden Familienpolitik ... entgegengewirkt werden.« Denn »eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung« sei mittel- und langfristig die »einzig tragfähige Lösung«. Dass die AfD in ihrem Grundsatzprogramm Gebären als verpflichtende Dienstleistung gegenüber dem Staat verankert hat, ist bekannt. Die Empörung über Frauenfeindlichkeit jedoch nur auf die extreme Rechte zu begrenzen, ist kurzsichtig. Als Paragraf 218 des deutschen Strafgesetzbuches macht dieses Bild die Körper von Frauen per Gesetz zu gesellschaftlichem Eigentum und raubt ihnen ihr Recht auf Selbstbestimmung – seit über 100 Jahren.

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Von konkret 5/24

In den vergangenen vier Ausgaben hat konkret einen Aufruf veröffentlicht, die Zeitschrift mit einer Spende, dem Abschluss eines Abos oder einer KG-Einlage zu unterstützen. Den Verlag haben daraufhin viele Spenden erreicht, es wurden Abos abgeschlossen, und konkret hat Kommanditistinnen und Kommanditisten dazugewonnen. Dank der großen Hilfsbereitschaft der Leser/innen ist die akute Krise abgewendet –das Blatt wird weiterhin erscheinen. 

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Demokratie des Kapitalismus

Karl-Heinz Dellwo über Gebrauch, Wert und Gebrauchswert der bürgerlichen Demokratie

Über Demokratie reden gilt als fein. Die Inbrunstpolitikerin Claudia Roth lässt sich auf der Eröffnungsvorstellung der Leipziger Buchmesse mit einem Schild fotografieren: »Demokratie wählen. Jetzt«. Was tritt da auf?

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Heuchelei und Spaß dabei

Von wegen Deutschland. Dem AfD-Clown Maximilian Krah geht’s nur um sich. Von Nicolai Hagedorn

Die prominenten Figuren der weltweiten Neuen Rechten, wie Trump, Bolsonaro oder Milei, sind unübersehbar auch Vorbilder für die deutschen Hanswurste der AfD. Ein besonders glänzendes Beispiel dafür ist der AfD-Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl, Maximilian Krah, der die bei Donald Trump immerhin noch irgendwie authentische Arroganz des kapitalistischen Aufsteigers und -schneiders durch allerlei Unverschämtheiten gegenüber Frauen, rechtsradikales Getröte und peinliche Tiktok-Videos nachzuahmen versucht.

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Komm’ intern!

Kann man sich für kommunistische Parteiorganisationsarbeit, die hundert Jahre zurückliegt, begeistern? Wohl kaum. Doch Olga Benarios Buch Berliner kommunistische Jugend, das jetzt zum ersten Mal veröffentlicht wurde, ist schon als seltenes Dokument der Zeitgeschichte – die Parteiarbeit kommunistischer Jugendverbände in der Weimarer Republik ist kaum dokumentiert – des Lesens wert. 

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