Verpflichtet zu lernen

Thomas Schaefer über Die Araber von Palästina von Martha Gellhorn

Zentral im Buch Die Araber von Palästina, aber auch für Martha Gellhorns Sicht der Dinge steht die Reportage, die sie im Februar 1962 über den Eichmann-Prozess in Jerusalem geschrieben hat. Was sie da beobachtet, mag tauglich sein, noch einmal zu verdeutlichen, worum es bis heute – und heute erst recht – im israelisch-palästinensischen Dauerkonflikt geht: um das Existenzrecht Israels als Folge des Nationalsozialismus. »Dieser Prozess ist für unsere Erziehung gedacht, und wir sind verpflichtet, von (!) ihm zu lernen – um der Sicherheit und Ehre unserer Spezies willen.« 

Gellhorn (1908–1998), die viele leider nur als zeitweilige Gefährtin Hemingways kennen, die aber über Jahrzehnte eine brillante (Kriegs-)Reporterin und als Jüdin unmittelbar betroffen war, will in ihren Reportagen gar nicht erst den Eindruck erwecken, sie sei um Distanz bemüht: »Araber sind voller Hass, sie wälzen sich in Hass, sie atmen ihn.« Sie ergreift Partei, wenn sie auf Reisen durch den Nahen Osten, von 1962 bis zum Sechstagekrieg im Jahr 1967 jüdische und palästinensische Israelis und andere Akteure interviewt, wobei sie gelegentlich von den arabischen Gesprächspartnern und deren Geschichtsklitterung schwer genervt ist: »Diesen Gesprächen zuzuhören, ist die Aufgabe eines Psychiaters, nicht einer Journalistin.« 

Die aus solchen Gesprächen resultierenden Texte sind historisch, die Fakten, die Gellhorn präsentiert, oft nicht (mehr) verifizierbar – wobei ein aufmerksames Lektorat der Lektüre abträgliche Rätselhaftigkeiten hätte auflösen müssen: »Am 1. Januar 1960 lebten laut israelischer Statistik in Israel 159.236 Muslime, 48.277 christliche Araber und 22.351 Drusen, also ungefähr eine halbe Million Araber.« Steht dieses sehr Ungefähre so bei Gellhorn oder nur in der deutschen Ausgabe? Es trägt jedenfalls ebenso wenig zum Vertrauen in die Faktenzuverlässigkeit bei wie eine »jüdische Bevölkerung« von »1858.841«. 

Was fängt man mit so einem Buch an? Man liest es als zeithistorischen Kommentar, der zumindest verdeutlicht, was am Anfang der permanenten Krise steht, bis heute wirkt und nicht in Vergessenheit geraten darf: Das »endlose Palästina-Problem« (Gellhorn) geht zurück auf das, wofür Eichmann steht. Damit das klar ist. 

Martha Gellhorn: Die Araber von Palästina. Reportagen über Flüchtlinge, Eichmann und den Sechstagekrieg. Aus dem Englischen von Norbert Hofmann und Hans-Ulrich Möhring. Mit einem Nachwort von Klaus Bittermann. Edition Tiamat, Berlin 2024, 176 Seiten, 18 Euro