Hausmeister der Reserve
»Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren!« Als Christian Lindner am 19. November 2017 mit diesem nach kommunistischer Fundamentalopposition klingenden Satz die Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition scheitern ließ, da ahnte man schon: Der Mann, obwohl noch nie in Regierungsverantwortung, versteht was vom FalschRegieren. Seit Dezember 2021 gibt sich der FDP-Vorsitzende nun als Finanzminister redlich Mühe, diese seine Kompetenz umfassend unter Beweis zu stellen.
Wie man finanziell etwas in den Sand setzt, das hat Lindner bereits mit 22 Jahren mustergültig vorgeführt. Da demissionierte er als Geschäftsführer einer Internetfirma, die anschließend krachend bankrott ging. Keine Frage, dass so jemand sich fortan für nichts anderes mehr interessiert als für solide Haushaltsführung von Volkswirtschaften. Dabei ging Lindner davor schon einmal kurzzeitig einer ehrlichen Arbeit nach. Anders gesagt: Bei manchem ist es schade, dass der Zivildienst nicht zur Lebensaufgabe wird. Dann hätte Christian Lindner heute noch einen ausgesprochen verantwortungsvollen Posten inne, auf dem er dennoch keinen großen Schaden anrichten könnte: als Hausmeister der Theodor-Heuss-Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung in Gummersbach. Dort gibt es sicher einen Rasenmäherbulldog der gehobenen Klasse, mit dem er schneidig seine Kurven ziehen könnte.
Doch Zivi Christian erkannte, dass die Welt auf sein politisches Talent wartete. Widerrief seine Kriegsdienstverweigerung, bewarb sich bei der Bundeswehr, wurde Reserveoffizier. Von da an ging’s steil bergauf. Und so steht der Mann am 8. September 2024 im ARD-Studio »Bericht aus Berlin« und spricht staatstragend davon, man müsse »alles tun, was politisch, rechtlich und logistisch möglich ist« – um die eine Woche zuvor bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen triumphierende AfD von der Machtübernahme abzuhalten? Nein, Lindner meint eine andere Gefahr. Er sei »überzeugt davon, dass es eine Form der Zurückweisung geben muss« – eine Zurückweisung der extremen Rechten? Nein. Lindner fordert eine Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze. Das ist es, was ihn umtreibt. Als hätten die Wähler in Thüringen und Sachsen die andauernden Anwanzereien der FDP an die AfD nicht damit quittiert, dass sie das Original wählten. In Thüringen zog die FDP mit 1,1 Prozent knapp an der Tierschutz-Partei vorbei, in Sachsen unterlag sie ihr mit 0,9 Prozent.
Florian Sendtner