Bayerische Ermittlungen

Die Flugblattaffäre war für Hubert Aiwanger nach einer guten Woche überstanden. Ende August 2023 veröffentlichte die »Süddeutsche Zeitung« Auszüge aus dem Naziflugblatt, mit dem Hubert Aiwanger als Gymnasiast erwischt worden war, Anfang September erklärte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Sache für erledigt, und Anfang Oktober legten Aiwangers Freie Wähler bei der Landtagswahl gut vier Prozent zu. Einen ehemaligen Lehrer, der seinerzeit Mitglied des Disziplinarausschusses war, der den Schüler Aiwanger milde davonkommen ließ, verfolgt der bayerische Staat dagegen immer noch.

Seit September 2023 ermittelte die Staatsanwaltschaft Regensburg gegen den pensionierten Lehrer wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen; er war von rechten Medien von »Bild« bis »Tichys Einblick« als Denunziant angeprangert worden, der das Aiwanger-Flugblatt der »SZ« gesteckt habe. Die üblichen Beschimpfungen bis hin zu Morddrohungen folgten auf dem Fuß.

Nach zehnmonatigen Ermittlungen fanden die Strafverfolger heraus, es gebe »weder Zeugen noch sonstige Beweismittel für die vermutete Kommunikation«, zudem sei das Nazi-Flugblatt bereits 1989 in einer Schülerarbeit reproduziert worden, die öffentlich zugänglich war. Die Staatsanwaltschaft musste feststellen: Die hartnäckig in der Öffentlichkeit sich haltende Behauptung, der besagte Lehrer habe das bis dahin unbekannte Flugblatt sozusagen aus dem Hut gezaubert, ist falsch. Die monatelangen Ermittlungen hätte man sich sparen können, wenn man sich bei der Regensburger Staatsanwaltschaft ein konkret-Abo leistete: hier war all das bereits im Heft 10/2023 zu lesen.

Kaum hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen eingestellt, kam das bis dahin ruhende Disziplinarverfahren gegen den pensionierten Lehrer in Gang, das schlimmstenfalls mit dem Verlust seiner Pensionsansprüche enden kann. Wird es noch einmal zehn Monate dauern, bis auch dieses Verfahren endlich eingestellt wird? Der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler, der den Lehrer vertritt, verweist auf den Paragrafen 353b StGB (»Geheimnisverrat«), der voraussetzt, dass durch die Veröffentlichung »wichtige öffentliche Interessen gefährdet« würden. Wächtler konstatiert knapp: »Die Veröffentlichung des Aiwanger-Flugblatts war sogar im besonderen öffentlichen Interesse.« Man verfolge »den vermeintlichen Boten statt des Verursachers«.

Florian Sendtner