Rechte Hand
Vor 40 Jahren, am 19. Dezember 1980, erschoss Uwe Behrendt den Rabbiner Shlomo Lewin und dessen Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrer Erlanger Wohnung; es war der erste antisemitische Mord eines Rechtsextremen nach 1945. Von Olaf Kistenmacher
Der Täter war Karl-Heinz Hoffmanns rechte Hand; doch der Kopf der »Wehrsportgruppe Hoffmann« behauptete später vor Gericht erfolgreich, von Behrendts Mordplan nichts gewusst zu haben. Drei Monate zuvor hatte ein anderes Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ den bis heute schwersten rechtsextremen Anschlag verübt. Gundolf Köhler wollte beim Münchner Oktoberfest eine Bombe deponieren, die jedoch noch in seinen Händen explodierte; er und zwölf weitere Menschen starben, 213 wurden zum Teil schwer verletzt.
Als rechtterroristisches Verbrechen gilt das Oktoberfestattentat offiziell allerdings erst seit kurzem. Nach den 2014 neu aufgenommenen Ermittlungen konnte die Generalbundesanwaltschaft zwar mehrere offene Fragen immer noch nicht beantworten, aber immerhin kamen die Ermittler nun zu dem Ergebnis, dass der Neonazi Köhler 1980 »aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus« handelte (konkret 8/20).
Weil das Oktoberfestattentat fast 40 Jahre lang als unpolitische Verzweiflungstat galt und weil Morde an Juden in Deutschland schnell vergessen werden, konnte, so der Journalist Ulrich Chaussy in der aktuellen Fassung seines Buchs Das Oktoberfest-Attentat und der Doppelmord von Erlangen, ein offensichtlicher Zusammenhang »verdrängt werden«: die Existenz rechtsterroristischer Gruppierungen, und zwar schon 30 Jahre vor der Selbstenttarnung des »Nationalsozialistischen Untergrunds«. Bayern spielte dabei eine Schlüsselrolle. Die Landeshauptstadt München galt bereits der NSDAP als »Stadt der Bewegung«.
Die Verbindung zwischen dem Oktoberfestattentat und dem Mord in Erlangen bestand, so Chaussy, nicht nur organisatorisch. Karl-Heinz Hoffmann selbst hatte für seinen Handlanger ein Motiv kreiert. Denn um weiterhin Kriegsgerät an die Palestine Liberation Organisation (PLO) verkaufen zu können, erfand er die Verschwörungserzählung, der Mossad habe das Oktoberfestattentat verübt, um Deutschlands »nationale Bewegung« zu diskreditieren. Uwe Behrendt glaubte ihm gern, dass »Juden« schuld seien, wenn die Wehrsportgruppe für das gehalten wurde, was sie war – und schritt in Erlangen zur Tat.
Olaf Kistenmacher
Ulrich Chaussy: Das Oktoberfest-Attentat und der Doppelmord von Erlangen. Wie Rechtsterrorismus und Antisemitismus seit 1980 verdrängt werden. Ch. Links, Berlin 2020, 360 Seiten, 20 Euro