AfD-Verbot? Ja, bitte.

Sicher, das rechte Denken wird nicht verschwinden. Aber ein Verbot der AfD wäre ein Schlag gegen ihre materielle Basis: Die Partei erhält viele Millionen Euro aus der Staatskasse, sie nutzt die Logistik der Parlamente und sitzt in wichtigen Gremien, etwa den Rundfunkräten. Sie verfügt über Hunderte von hauptamtlichen Kadern, dazu demnächst über eine Stiftung, in der Nachwuchs gedrillt werden kann.

Ein Plädoyer für die legale Ächtung der Höcke-Partei. Von Peter Bierl

Die Kampagne für ein Verbot der AfD hat Fahrt aufgenommen. Die Initiative des Online-Blogs »Volksverpetzer« meldet mehr als 600.000 Unterschriften. Die Online-Petition des Physikers Indra Ghosh aus Düsseldorf, die unter dem Titel »Höcke stoppen« darauf abzielt, die Grundrechte des Faschistenführers aufzuheben, ist vor erst zwei Monaten gestartet und innerhalb von wenigen Tagen mit rund 700.000 Unterschriften durch die Decke gegangen.

Ein Grund dürfte sein, dass das Recherchenetzwerk »Correctiv« am 10. Januar das geheime Treffen publik gemacht hat, auf dem AfD-Funktionäre mit bekennenden Nazis Ende November einen »Masterplan« zur »Remigration« besprachen (siehe S. 12). Demnach sollen Millionen von Menschen entrechtet und abgeschoben werden. Betroffen wären nicht bloß Geflüchtete, sondern auch Menschen mit deutschem Pass. Hauptreferent Martin Sellner von der »Identitären Bewegung« will für dieses Vorhaben einen »Musterstaat« in Nordafrika schaffen. Eine »Remigration« wird von einschlägigen Kreisen schon lange gefordert, das Treffen aber zeigt, dass die extreme Rechte so siegesgewiss ist, dass sie Pläne für die Zeit nach einer Machtübernahme spinnt, ähnlich wie Donald Trump in den USA.

Und es sieht so aus, als ob die Enthüllung Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit klargemacht hat, dass die Nazis es wirklich ernst meinen. Denn die Debatte um ein AfD-Verbot hat dadurch Schwung bekommen. Dabei verlaufen die Meinungen quer zu den Parteigrenzen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken plädiert schon länger dafür, ebenso der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), während der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), warnt, dass ein Verbot juristisch schwer durchzusetzen sei und eine Partei zu verbieten, die in Umfragen stabil vorne liege, zu »noch größerer Solidarisierung« führe. Sein Amtsvorgänger Marco Wanderwitz (CDU) fordert hingegen ein Verbotsverfahren, ebenso Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident in Schleswig-Holstein. Dagegen ist der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, der im Sommer eine Kooperation mit der AfD auf kommunaler Ebene befürwortete. Von der Linkspartei spricht sich der Parteivorsitzende Martin Schirdewan für ein Verbot aus, während Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestages, dagegen ist.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) ist dafür, hingegen hat Ferat Koçak, Fraktionssprecher der Linken für antifaschistische Arbeit im Berliner Abgeordnetenhauses, bereits im Sommer die klassischen linken Einwände zu Protokoll gegeben: Die extreme Rechte werde durch ein Verbot nicht verschwinden, und der bürgerliche Staat agiere als deren »Komplize« – zumindest in der Verschleierung rechten Terrors. Koçak macht die unsoziale Politik der Ampelkoalition für den Zuwachs der extremen Rechten verantwortlich und verweist auf den Kapitalismus als Wurzel des Faschismus.

Alles richtig, bloß scheint ein Bruch mit dem Kapitalismus Lichtjahre entfernt. Die Linke, sowohl die Partei als auch die radikalen Gruppen, ist völlig marginal und muss sich als sozialistisch-ökologische Kraft erst wieder aufbauen. Den weltweiten Vormarsch des Faschismus könnte also nur das bürgerliche Lager stoppen. Das ist paradox, weil sich der Aufstieg der extremen Rechten aus den verschärfenden ökonomischen, sozialen und imperialen Widersprüchen speist, insbesondere den Folgen der Klimakrise und der schwindenden Hegemonie des bürgerlich-liberalen Lagers, das darauf keine Antworten findet.

Aber eine Neuauflage der (gescheiterten) Volksfrontpolitik der dreißiger Jahre steht nicht an, weil es schlichtweg keine starken linken Parteien gibt. Diesmal sind wir allenfalls Juniorpartner und müssen in den sauren Apfel beißen: Die Verbotsinitiativen sind staatstragend. Ghoshs Petition zitiert die »wehrhafte Demokratie«, einen Kampfbegriff, der stets gegen die Linke angewandt wurde. Aber beide Initiativen haben Massenanhang, sie haben eine Dynamik und könnten den öffentlichen Diskurs verschieben.

Sämtliche Einwände gegen ein AfD-Verbot sind nachvollziehbar: die juristischen Hürden, die Gefahr des Scheiterns sowie aus einer linken Perspektive das Dilemma, eine Forderung an den Staat zu richten, der rechten Terror stets verharmlost und hart gegen Antifaschisten vorgeht. Doch der ideelle Gesamtkapitalist ist eben leider der gegebene politische Rahmen. Bei Mindestlohn, Mietpreisbremse oder der Kampagne »Deutsche Wohnen & Co enteignen« appellieren Linke auch an den Staat.

Sicher, das rechte Denken wird nicht verschwinden. Aber ein Verbot der AfD wäre ein Schlag gegen ihre materielle Basis: Die Partei erhält viele Millionen Euro aus der Staatskasse, sie nutzt die Logistik der Parlamente und sitzt in wichtigen Gremien, etwa den Rundfunkräten. Sie verfügt über Hunderte von hauptamtlichen Kadern, dazu demnächst über eine Stiftung, in der Nachwuchs gedrillt werden kann.

Vorteilhaft wäre, wenn sich die öffentliche Debatte aufgrund der Verbotsforderung verschiebt, über die menschenverachtende Programmatik der AfD debattiert wird und die Partei diskursiv in die Defensive geriete. Jedoch sind Anhänger von Diskursanalysen und Hegemonieträumen daran zu erinnern, dass in letzter Instanz entscheidend sein wird, ob relevante Teile des deutschen Kapitals für den Faschismus als Krisenstrategie optieren. Das leitende Personal von bürgerlichen Parteien, Medien und Staatsapparat wird sich entsprechend verhalten.