Geisterimperialismus

Aus konkret 4/22: Versteht der Antiimperialismus die Welt nicht mehr? Eine Replik auf die Titelgeschichte der Ausgabe konkret 3/22. Von JustIn Monday

Dass zu den Staaten, die die Anerkennung der separatistischen Gebiete in der Ostukraine durch die Regierung Russlands direkt am Folgetag kritisiert haben, ausgerechnet Slowenien und Kroatien gehörten, ist eine besondere Ironie der Geschichte. Die Anerkennung dieser heute eigenständigen Staaten durch die EU im Januar 1992 war der Beginn der Entfesselung der nationalen Gewalt in den Jugoslawien-Kriegen. Der Höhepunkt und Abschluss dieser Kriege war sieben Jahre später der Angriff der Nato auf Serbien, der den Zweck hatte, auch noch die Abspaltung des Kosovo vom verbliebenen Restjugoslawien zu gewährleisten. Ganz so, als befände er sich in völliger Unkenntnis des Entstehungsgrundes seines eigenen Staatswesens, kommentiert der kroatische Ministerpräsident in Übereinstimmung mit seinen damaligen Verbündeten die Anerkennung der ostukrainischen Separatistengebiete durch Russland mit dem Hinweis, dass es sich um »eine Verletzung des Völkerrechts und der territorialen Integrität der Ukraine« handele.

Selbstverständlich liegt hier keine Amnesie vor. Wenn die Exseparatisten heute exakt diejenige Form von Gewalt verurteilen, die ihnen die Macht zur Staatsgründung verschafft hat, und wenn dasjenige Bündnis, das ihnen dabei militärisch zur Seite stand, solche Gewalt nun als einen Angriff auf seine »Werte« versteht, sagt das vielmehr etwas über die Grundlage jenes Rechts, das seinen Namen im Gegensatz zum berühmten Völkerrecht durchaus verdient. Das, was nämlich dem Völkerrecht im Unterschied zum innerstaatlichen Recht fehlt, ist die monopolisierte Gewalt, die es im Fall eines Rechtsverstoßes mit gewollter Übermacht gegenüber den Unterworfenen durchsetzen könnte.

Im Friedenszustand, wenn sich also alle Staaten mehr oder weniger an die internationalen Verträge halten, die sie abgeschlossen haben, ist eine solche Gewalt nicht nötig, und im Kriegsfall fehlt sie, weil gerade darum gekämpft wird, wer sie unter welchen Bedingungen, mit welcher Gefolgschaft und auf welchem Gebiet errichten kann. Dann erweist sich, dass diese Verträge doch eher Vereinbarungen waren, die jederzeit ohne Rechtsfolgen aufgekündigt werden können. Im Rückblick hingegen ist jeder Krieg immer staatsgründende, also pazifizierende Gewalt gewesen. Selbst wenn er als deutscher Vernichtungsfeldzug begonnen hat, kamen am Ende BRD und DDR heraus. Daher herrscht im Hinblick beispielsweise auf die Jugoslawien-Kriege und alle anderen Gewaltakte, die die gegenwärtig anerkannten Grenzen zwischen den Staaten geschaffen haben, keine Amnesie, sondern einfach nur Geschichte.

Damit ist Krieg aber nicht, wie es die staatsfetischistisch-militaristische Auslegung dieses Mangels an einer politischen Weltmacht sagt, Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln oder gar der Vater aller Dinge. Selbstverständlich ist der Krieg so destruktiv, wie ihn die »Tagesschau« zeigt, und er befindet sich durchaus im Gegensatz zu denjenigen Produktionsverhältnissen, die ihn ermöglichen und die ihrerseits auf Bedingungen angewiesen sind, die immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen. Die Möglichkeit, einen modernen Krieg zu führen, setzt einen Produktionsapparat voraus, der einen ausreichend großen Anteil des gesellschaftlichen Mehrprodukts zur Produktion der nötigen Waffenberge und zum Unterhalt der Armee und ähnlicher Apparate verwenden kann. Aber das allein macht noch keine Kriege, wie es die beliebte These vom kriegstreiberischen Militärisch-Industriellen Komplex suggeriert.

Da die Rüstungsindustrie Vernichtungswerkzeug produziert, also keine Gebrauchswerte, die im Reproduktionsprozess des Kapitals Verwendung finden können, ist das Kapital, das durch Waffenproduktion akkumuliert, für alles andere Kapital nicht nur lästige Konkurrenz um den gesamtgesellschaftlichen Mehrwert, sondern eine generelle Belastung – ersichtlich daran, dass die Armeen aus den beim Kapital unbeliebten Steuern finanziert werden müssen. Daher gibt es bereits an der Herbeiführung der Fähigkeit zur Kriegführung kein unmittelbar allgemeines kapitalistisches Interesse.

An der tatsächlichen Führung eines Kriegs hat das Kapital aus der Perspektive des Produktionsprozesses noch weniger ein Interesse, denn der Krieg stört ja auch noch die praktische Ausbeutung der Arbeitskraft. Was umso mehr gilt, je internationaler nicht nur der Handel, sondern auch die Produktion selbst organisiert ist. Die jede Kriegführung begleitende Beteuerung, der Armee den Marschbefehl nur im äußersten Notfall geben zu wollen, wäre Heuchelei, wenn sie von Heckler & Koch käme, aber im allgemeinen ist sie es nicht.

Das gilt auch für den russischen Staat, auch und gerade dann, wenn der so offensichtlich einen Angriffskrieg auf die Ukraine vorbereitet und gestartet hat, dass es für dieses Urteil keinerlei Einblick in das begleitende geopolitische Procedere braucht. Dass Russland dabei unter innerem und äußerem Druck stand, macht den Angriff nicht zu einem defensiven Akt, denn solcher Druck ist der Normalzustand aller Politik. Wer sie betreibt und Resultate zum eigenen Nachteil militärisch abwenden möchte, führt einen Angriffskrieg.

Dennoch gibt es durchaus antimilitaristische Gründe dafür, das in der hiesigen Öffentlichkeit gezeichnete Bild vom russischen Aggressor zurechtzurücken, denn das Problem an diesem Bild ist, dass es bloß der Gegenpropaganda dient und dabei das Offensichtliche übersieht. Warum, ist zum Beispiel zu fragen, haben sich in den ersten Kriegstagen eigentlich alle »von Putin belogen« und »getäuscht« gesehen? Sind sie unfähig, »Russia Today« zu lesen? Das aggressive nationale Unwesen, das im Vorlauf zum Krieg dort genauso offen zutage getreten ist wie in den offiziellen Reden Wladimir Putins oder etwa im Fachblatt für linken Antisemitismus, der »Jungen Welt«, war weit davon entfernt, Kriegspropaganda zu sein. Dieser Begriff sollte für ein Kommunikationsverhalten reserviert sein, in dem die Lüge überwiegt. Nationalismus hingegen ist keine Lüge, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Realität. Im pazifizierten Rechtszustand ist er das mythologisierte Einverständnis mit den in der Vergangenheit liegenden staatsgründenden Gewaltakten. So wird er zum emotionalen Kitt, der die Bürger/innen an jene Herrschaft bindet, die sich im Prozess der Pazifizierung stabilisieren konnte. Zumindest ist dies im Hinblick auf die hier diskutierten Fragen seine wichtigste Eigenschaft.

Die Gewaltakte, die zur gegenwärtigen Verfassung des Staates geführt haben, sind nicht zufällig die Eckpunkte der jeweiligen nationalen Erzählungen, aber weil die vergangene Gewalt gleichzeitig der Schrecken ist, mit dem denjenigen gedroht wird, die sich der Herrschaft widersetzen, ist das Einverständnis erst dann besiegelt, wenn die nationalistische Rede die Existenz der Nation ahistorisch hinter ihre tatsächliche Entstehung zurückverlagert. Im nationalen Mythos wäscht die Nation sich von der Gewalt rein, indem sie behauptet, diese sei nötig gewesen, um das zu werden, was die Nation eigentlich schon immer war. Ist sie mit den Resultaten der vergangenen Gewalt unzufrieden, artikuliert sie ihre Herrschaftsansprüche, indem sie »Fremdherrschaft« schreit und diejenige Gewalt ausmacht, die diese Ewigkeit bislang verhindert hat.

Das gegenwärtige Russland und der dort herrschende Nationalismus sind offensichtlich keine Ausnahme von dieser historischen Regel, so dass es nicht verwundern sollte, dass die westliche Presse zur Gegenpropaganda greifen muss, um sich irgendeiner Differenz zu ihm zu versichern, die nicht an die eigenen Legitimationsmythen rührt. Forciert wurde das durch den Umstand, dass auch die westliche Unterstützung des Maidan-Aufstands, der nicht zufällig von rechtsradikalen Fraktionen mitgetragen wurde, nichts anderes aufzurühren vermochte als eine nationale Seele. Auch hier lügt die russische Seite nicht, nur macht das den Angriff auf die Ukraine nicht zu einer antifaschistischen Aktion.

Erst die Zurückweisung der westlichen Gegenpropaganda, in diesem Fall also all der Erzählungen, die Russland auf Putin reduzieren und den wiederum als durchgeknallten despotischen Lügenbold zeichnen statt als Staatsmann und modernen Kriegsherrn, schafft die Möglichkeit gesellschaftskritischer Interventionen, die die Gründe für die permanent wiederkehrende Gewaltausübung angreifen. Sie würden den Blick auf diejenigen Eigenarten des Kapitalismus richten müssen, die erklären, warum weder die Nato noch Russland die friedenstiftende Macht ist, als die sie sich mitsamt ihrer Bevölkerungsmehrheiten gerne sehen. Die Militärhaushalte gibt es, weil die der unmittelbaren Produktion entstammenden Interessen, die monopolisierte und daher übermächtige Gewalt erfordern, eben nicht das einzige sind, was den Kapitalismus bestimmt. Die Erörterung dieser Aspekte könnte mit einer Kritik an derjenigen Linken verbunden sein, die dem Völkerrecht immer in dem Moment hinterherläuft, in dem sich dessen Nutzlosigkeit bei der Verhinderung von Kriegen erweist, und die das Nationalstaatsprinzip für einen Einwand hält, wenn die gewaltförmige Grundlage des innerstaatlichen Rechts aus der historischen Verdrängung ins Rampenlicht tritt.

Allerdings ist es niemandem zu verdenken, eine solche Kritik nicht ernst zu nehmen, wenn in der Zeitschrift, in der sie erscheint, aggressiver Nationalismus ignoriert oder als verständliche Reaktion auf äußeren Druck verhandelt wird. Der Titel der vergangenen Ausgabe und Jörg Kronauers zugehöriger Artikel sind ein solcher Fall. Sie sind so ausschließlich auf das Agieren der westlichen Staaten fixiert, dass die daraus folgende Verurteilung der hiesigen Öffentlichkeit eine gesellschaftskritische Intervention noch unmöglicher macht, als es die gewohnte affirmative Haltung von Linkspartei und Co. tut. Letztere sind zu Recht entsetzt, dass der russische Staat auch innenpolitisch überdurchschnittlich autoritär verfasst ist und sich vom Verbot von Menschenrechtsorganisationen über homophobe und sexistische Kampagnen und Gesetzgebung bis zu Morden an Journalisten und Journalistinnen alles erlaubt, was das Herz auch der radikalen Rechten hierzulande höherschlagen lässt. Dass die Rechte wiederum trotzdem lieber in der Konstellation des Zweiten Weltkriegs agieren, das heißt mit aller Macht des gesellschaftlichen Unbewussten versuchen könnte, Seite an Seite mit den damaligen ukrainischen Faschisten gegen die Rote Armee zu siegen, ist nicht völlig unwahrscheinlich, und spalten werden sie sich dann vermutlich an der Frage, ob es nicht strategisch sinnvoller gewesen wäre, den Hitler-Stalin-Pakt nicht gebrochen zu haben.

Auch in der friedensbewegten deutschen Öffentlichkeit wird derartiges – gegenteilig besetzt – unbewusst eine Rolle spielen, und wo, wenn nicht in konkret, wäre der Ort, dem etwas entgegenzusetzen? Voraussetzung dafür wäre aber eine reflektierte Trennung unbewusster Phantasien und gegenwärtiger Realität. Dass das heutige Russland einen Faschismus besiegen kann, selbst wenn die Ukraine als faschistisch bezeichnet werden müsste, ist völlig undenkbar.

Die Ignoranz diesem Umstand gegenüber ist ein den Konsens sprengender Ausfall in einer Zeitschrift, deren Klammer immer darin bestand, Kritik der hiesigen Vaterländerei nicht mit der Suche nach einem anderen Vaterland zu verbinden, ohne in abstrakten Pazifismus zu verfallen.

Nichts davon findet sich in der Titelgeschichte der März-Ausgabe. Kronauer stochert ewig im Nebel geopolitischer Scharmützel und diplomatischer Initiativen und schafft es dabei nicht im entferntesten, diejenige »Ordnung« ins unterstellte Wirrwarr der Ereignisse zu bringen, die der Vorspann verspricht. Das ist kein großes Wunder, denn um »informationelle Nebelschwaden« handelt es sich dabei nur, wenn man ebenso wie die westliche Öffentlichkeit das Offensichtliche ignoriert, wenn auch aus entgegengesetzter Parteinahme.

Auf die separatistischen Bemühungen in der Ostukraine, die den tatsächlichen Ausgangspunkt des Territorialkonflikts bilden, an den der russische Anspruch anknüpft, kommt er in der Analyse erst am Ende zu sprechen. Zuvor hat er den Text in einer kuriosen Feststellung gipfeln lassen: Einerseits bedrohe die Nato aggressiv und akut russische Sicherheitsinteressen, die er aus irgendwelchen Gründen für welche hält, die auch die Linke unkritisch verstehen müsse. Andererseits sieht er die gleiche Nato wegen der mangelnden Bereitschaft, die Ukraine militärisch zu unterstützen, in der Gefahr, »ihr Schutzmachtgehabe … der Lächerlichkeit preiszugeben«. Das passt selbstverständlich nicht zum einzigen Ergebnis, das sein antiimperialistischer Bezugsrahmen zulässt. Daher kommen die separatistischen »Volksrepubliken« am Ende nur als potentielle Opfer eines ukrainischen Angriffs vor, als wären sie schon nicht mehr Teil der Ukraine. So verfällt Kronauer auf die schon logisch unmögliche Idee einer vorgetäuschten False-flag-Operation durch die Ukraine. Wie geht so etwas? Wie tut man als Ukraine so, als wäre man Russland, das so tut, als wäre es die Ukraine? Vielleicht indem man sich als Sowjetunion verkleidet, die in Wirklichkeit die USA ist und von Ronald Reagan gespielt wird, der wiederum ein uneheliches Kind von Selenskyj war?

Das Problem hierbei ist nicht primär, dass es sich um eine kolossale Fehleinschätzung gehandelt hat, das Problem ist die geopolitische Analyse dieser Art selbst. Kronauer verwendet ausschließlich dürre, den unmittelbaren Erscheinungsformen der Herrschaftsapparate abgelauschte Kategorien, die einer gesellschaftlichen Sphäre entstammen, in der militärische Macht immer schon vorhanden ist und nur noch eingesetzt werden muss. Daher war es vielleicht nicht gewollt, aber es war auch kein Zufall, dass weder die nationale Mobilmachung noch die zentrale Rolle des Separatismus in sein Blickfeld geraten sind. Er analysiert zudem systematisch falsch, weil sein Blick gegenstandslos ist. Alle gegenwärtigen Konfliktherde sind nicht bloße Anlässe im Kampf um die Erweiterung von »Einflusssphären« der Weltmacht, sondern eigenständige Symptome der Weltherrschaft des Kapitals. Um deren Erweiterung kann nicht mehr gekämpft werden, und Russland ist von ihr nicht nur umzingelt, sondern bereits integraler Teil. Die Totalität fügt sich aber nicht zu einem Ganzen. Die in antiimperialistischer Tradition stehenden Analysemuster unterstellen hingegen realitätswidrig, dass es in den internationalen Verhältnissen genau diejenige alleinige Übermacht gibt, die das internationale Recht, siehe oben, nicht kennt.

Tatsächlich ist der beim Separatismus ansetzende Krieg eine zeitgemäße Form der Wiederholung der staatsgründenden Gewalt. Er droht überall dort, wo die Akkumulation aus ihrer eigenen krisenhaften Bewegung heraus ins Stocken gerät. Auch die Beteuerung der herrschenden Mächte, dass es ihnen um Stabilisierung der Verhältnisse gehe, ist daher keine Lüge. Wer dies ignoriert, wird permanent in Versuchung geraten, die Gewaltakte der scheinbar der Weltmacht entgegengesetzten Seite als Widerstandshandlungen zu deklarieren und über deren Opfer hinwegzugehen. Die zu beantwortende Frage ist hingegen die, warum gerade die vollständige Durchkapitalisierung der Welt zu einem Zustand geführt hat, in dem die Stabilisierung immer wieder misslingt.

Erhellend ist hierzu ein Rückgriff auf die Imperialismustheorie einer Zeit, als sie durchaus in der Lage war, den historischen Status quo kritisch zu erfassen. »Der Imperialismus«, heißt es in Rosa Luxemburgs Die Akkumulation des Kapitals, »ist der politische Ausdruck des Prozesses der Kapitalakkumulation in ihrem Konkurrenzkampf um die Reste der noch nicht mit Beschlag belegten nichtkapitalistischen Weltmilieus.« Damit hat sie die Machtverhältnisse bestimmt, die zum Ersten Weltkrieg geführt haben. Überhaupt ist dieses Buch Luxemburgs und mehr noch ihre gegen die marxologischen Epigonen ihrer Zeit gerichtete Anti-Kritik das lesenswerteste Werk des Marxismus in seiner revolutionären Epoche, also in der Zeit nach Marx bis zu Georg Lukács’ Geschichte und Klassenbewusstsein. Luxemburg hat den Blick auf all diejenigen Aspekte des Akkumulationsprozesses gerichtet, die dafür sorgen, dass die Charaktermasken der Akkumulation auch bei größtmöglicher Macht nicht immer tun können, was ihr Kapitalbesitz von ihnen verlangt. Diese Unmöglichkeit ist es, die in ihnen den Wunsch schafft, ihren Interessen gewaltförmigen Ausdruck zu verleihen. Luxemburg ist dabei so präzise, dass es aus heutiger Perspektive einsichtig wird, dass diese Gewalt ihre Formen im historischen Verlauf ändert und dass sie nicht immer aus bloßen Variationen kolonialer Eroberungen und Kriege zwischen den Kolonialmächten bestehen kann. Imperialismus gibt es heute allein schon deshalb nicht mehr, weil es keine nichtkapitalistischen Weltmilieus mehr gibt, und in der Nato haben sich die ehemaligen imperialistischen Mächte eine Form gegeben, die die Konkurrenz zwischen ihnen aufhebt.

All diese Veränderungen haben mit dem Ende der imperialistischen Epoche, also mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, begonnen. Der Antiimperialismus hat nie eine adäquate Antwort auf sie gefunden. Im Gegenteil ist er, seit er den Nationalsozialismus nur als besonders aggressiven Imperialismus beschreiben konnte, zunehmend begriffsstutzig geworden und hat sich immer mehr auf die Fetischisierung des herrschaftlichen Willens konzentriert. Kronauers Apologie nichtwestlicher Machtbestrebungen ist ein Musterbeispiel für diese Begriffslosigkeit. Eine Kritik der linken Illusionen vom Völkerrecht wäre in dieser Nachbarschaft kritische Miene zum apologetischen Spiel und ist daher in diesem Text unterblieben.

JustIn Monday schrieb in konkret 3/22 über die sozialpsychologischen Motive der Impfgegnerschaft