Kein Weihnachten mit Faschos

Aus konkret 12/23: Elena Wolf besinnt sich der antifaschistischen Militanz

Es ist wieder so weit: Mariah Carey und Wham! wurden aus dem Hyperschlaf entfrostet, um aus Radios Foltergerät zu machen; Lohnsklaventreiber manipulieren Angestellte psychisch zum gemeinsamen After-Work-Weihnachtsmarktbesuch; das Weihnachtsgeld wird für den Kauf von Geschenken ausgegeben für Menschen, die schon alles haben; und in irgendwelchen demokratiefördernden Medien werden Tipps gegeben, wie man »Zoff an Weihnachten« vermeiden kann. Wehmut macht sich breit. Nostalgisches Kopfkino, in dem die schönsten als Interesse getarnten Mikroaggressionen von Familienangehörigen über die Lebensführung devianter Rudelmitglieder abgespielt werden. Seufz. Was war sie heile, diese Welt. In der Onkel Endhart noch ein bisschen Anstand hatte. Wusste, dass er wie ein Scheiss-Nazi klingen würde, wenn er Nazi-Sachen sagte und deshalb seinen Hass auf das Außen mit nach Metaxa riechenden Zoten im Inneren des Familienkreises sublimierte.

Doch seit die Orks wieder den Wald verlassen haben und mit zwanzig Prozent in den Parlamenten sitzen, steht auch beim Onkel Endhart der geistige Hosenladen offen, wenn die Jauche lustvoll über den festlichen geschmückten Ausziehtisch gekübelt wird, um postfaschistische Belastungsstörungen zu produzieren. Unsagbares ist endlich wieder sagbar – und zwar laut und in Notwehr gegen die Meinungsdiktatur. Deutschland und er haben schließlich lang genug das Maul gehalten. Und außerdem wird man ja wohl gerade an Weihnachten seine Liebsten noch damit stopflebern dürfen, was man in »Compact«, »Tichys Einblick«, auf Nius, Auf1, im Kopp-Verlag und in Telegram-Chatgruppen gelesen hat! Schriller die Glocken nie klangen.

Aber wie konnt’s nur so weit kommen, dass der Onkel Endhart so ein Nazi geworden ist? Es gab doch 2016 den demokratiefördernden Chat-Bot »SOS Weihnachten«, der in der besinnlichen Jahreszeit helfen sollte, AfD-Parolen mit Argumenten pfiffig zu kontern, um nahestehende Menschen »zum Umdenken« zu bewegen. Haben wir den Endharts nicht verständnisvoll genug zugehört, ihre Sorgen und Nöte nicht ernst genug genommen, keine guten Argumente geliefert, nicht gewaltfrei genug kommuniziert, nicht genügend Fragen gestellt, die emotionale Ebene knapp verfehlt und die Augenhöhe nicht so gehalten, dass sie das mit dem Rechtssein wieder ließen? Haben wir die Nazis nicht clever genug »entzaubert«, indem wir sie zu Talkshows einluden und sie auf Titelseiten von Magazinen druckten?

Schließlich wissen rechtschaffene Deutsche doch: Demokratie heißt Toleranz, und Toleranz bedeutet »aushalten, ertragen«. Das resümiert sogar ein AfD-Funktionär aus Nordrheinwestfalen am Ende der selten verblödeten ZDF-Hufeisen-Familien-Doku »Die Streitrepublik« neben seiner nicht weniger verblödeten Mutter, die Gründungsmitglied der Grünen ist. In der Doku feiert Grünen-Mutti Christiane von Gierke auf ihrem 75. Geburtstag mit ihrem AfD-Pressesprecher-Sohn und zahlreichen Gästen bei Piano und Bankett ihre »politisch bunte Familie« und hört ihrem Spross Kris Schnappertz sekttrinkend dabei zu, wie er ihr mit einer jovialen Geburtstagsrede für ihre Lehre des selbständigen Denkens dankt, aufgrund dessen er »kein linkes Schneeflöckchen« geworden sei, sondern ein »braver, deutsch-nationalliberaler Hedonist«, der in seinem »Ehrempfinden«, seinem »Standesbewusstsein«, seiner »Wehrhaftigkeit«, seinem »Corpsgeist«, seiner »Sturheit« und »ganz wichtig«, seinem »Familiensinn« ganz nach seiner Mutter komme.

Tiefe Einblicke in »die deutsche Seele« verspricht das ZDF – und trifft mit »Streitrepublik« tatsächlich direkt ins Tiefbraune eines Landes, dessen demokratische Praxis der totalen Toleranz vor nicht einmal einem Jahrhundert in Auschwitz endete. Upsi. Doch dem Öffentlich-Rechtlichen ist, wie den meisten Medien, Christiane von Gierke und der deutschen Seele eben auch viel gelegen an Kompromissen mit Faschisten und denen, die sie wählen. »Familie muss sich aushalten können«, weiß das ZDF.

Leider ging »SOS Weihnachten«, dem obskuren Chat-Maschinchen für eine demokratische Diskussionskultur mit Arschlöchern aus dem Jahr 2016, direkt nach seiner Erfindung der Saft aus. Was soll es auch für schlaue Antworten generieren, wenn selbst das Öffentlich-Rechtliche Nazis integriert und demokratisch legitimiert hat? Was soll es für Argumente liefern, seitdem Häuser von Jüdinnen und Juden in Berlin wieder mit Davidsternen gekennzeichnet werden; seitdem der Nationalsozialismus (diesmal der gute!) mit einer Sahra Wagenknecht von links vorangetrieben wird; seitdem identitätspolitisch bewegte Queerfeministinnen islamistische Judenschlächter supporten; seitdem auch die Grünen ihre Godesberger Beschlüsse verabschiedet haben und gemeinsam mit Sozialdemokraten ihre Abschiebegeilheit mit Israel-Solidarität maskieren; seitdem deutsche Linke ihren Antisemitismus mit vorgeblichem Antiimperialismus verklären; seitdem Freiheitskämpfe gegen Freiheit geführt werden; seidem sich mit Pegida, Querdenkern und anderen Friedensverdrehten Tausende refaschisierte Frustwürste zu einer Schwurbelboomer-APO zusammengerottet haben; seitdem »ganz normale Bürger« Antisemitismus anprangern, indem sie im selben Atemzug die antisemitische Verschwörungstheorie vom »Bevölkerungsaustausch« verbreiten. Ja, was?

Da raucht nicht nur dem Weihnachts-Chat-Bot die Festplatte. Dabei brauchte er eigentlich nur zwei automatisierte Antworten auszuspielen: »Stopfen Sie Onkel Endhart jetzt mit einem Knödel sein lautes Fascho-Maul« und »Abflug! Gehen Sie nicht über Los, und kehren Sie erst zurück, wenn er es dauerhaft hält«. Toleranz gegenüber Intoleranten ist der Steigbügel des Faschismus. Antifaschistische Militanz, ein kompromissloses Nein und kategorischer Ausschluss vom Gabentisch sein Kryptonit.