Hamas’ little helpers
Aus konkret 2/09: Gremlizas Kolumne über ehrbaren Antisemitismus und den Nahen Osten
Ich habe nichts gegen Juden, einige meiner besten Freunde sind Juden. Es war dieser Satz, mit dem in den ersten Jahrzehnten nach Auschwitz der deutsche Antisemit sich verriet. Vor Jahren wurde ein anderer populär: Man wird ja wohl noch Kritik an Israel üben dürfen, ohne gleich als Antisemit zu gelten. Zwischen seinen Zeilen steht, daß da eine Macht ist, jeden zu strafen, der etwas gegen Israel sagt. Daß diese Macht die jüdische Lobby ist, das Weltjudentum oder seine Agenten, versteht sich von selbst.
Der Furcht vor dieser Macht haben die Deutschen in den Wochen des jüngsten Krieges mannhaft widerstanden. Von links über Steinmeiers Mitte bis ganz rechts und quer durch den publizistischen Gemischtwarenhandel war die Nation einig, daß Tausende Raketen auf israelische Städte und Dörfer, darunter 538 während der »Waffenruhe« zwischen Juni und Dezember, die Juden keineswegs berechtigten, Waffenlager und Nachschubtunnel zu bombardieren, zumal es ja bloß »primitive, ungezielte Raketen« waren, »selbstgebastelt« in rührender Heimarbeit.
Noch der gerechteste Krieg fordert viele unschuldige Opfer – man denke nur an die Juden und Kommunisten, die bei der Bombardierung von Dresden in Zellen der Gestapo ums Leben gekommen sind. Seriösere Schätzungen als die der mit Hamas kollaborierenden UN gehen davon aus, daß unter den 1.300 bei Gefechten Getöteten bis zu hundert lebende Schutzschilde aus Frauen und Kindern gewesen sein könnten. Von den übrigen 1.200, von den Palästinensern wie von ihrem Deutschlandfunk stets »Zivilisten« genannt, waren mindestens tausend Soldaten der »Charta Gottes – Plattform der Islamischen Widerstandsbewegung (Hamas)«, die sich geschworen hat, »das Banner Allahs über jeden Zentimeter von Palästina« aufzupflanzen, weil »der Prophet – Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm« – verfügt habe: Der Frieden Allahs werde »nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn!«
Die »sogenannten friedlichen Lösungen« der Palästinafrage, sagt die Charta, »stehen sämtlich im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten ... Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Djihad. Die Initiativen, Vorschläge und internationalen Konferenzen sind reine Zeitverschwendung und eine Praxis der Sinnlosigkeit ... Wir haben keine andere Wahl, als alle Kräfte und Energien zu vereinen, um dieser verabscheuungswürdigen Nazi-Tataren-Invasion gegenüberzutreten. Andernfalls werden wir den Verlust unserer Länder erleben, die Entwurzelung ihrer Bewohner, die Ausbreitung von Korruption über den Erdball und die Zerstörung aller religiösen Werte.«
Von den Deutschen werden die Leute, die diesem Programm mit Raketen oder Sprenggürteln folgen, »Radikale« genannt. »Radikale feuerten vom Libanon aus Katjuscha-Raketen auf Israel«, schreibt ein Redakteur von Springer, in dessen Blättern als Terrorist gilt, wer das Auto eines Ministers mit einem Farbbeutel bekleckert. Die »Tagesschau« nennt den Verein für Judenmord in bestem Diplomatisch »die Hamas-Bewegung«, der staatliche Deutschlandfunk, der ausschließlich von »Militanten«, »Radikalen« oder einfach »Kämpfern« spricht, hofiert einen Auflauf, bei dem mit Hakenkreuzen verzierte Davidsterne mitgeführt wurden: »In Berlin demonstrierten tausend Menschen ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk.« Das ist keine Nachricht, das ist eine Predigt.
Ganz vorn, noch vor den alten Kameraden, drängeln Leute in die Volksfront für Galiläa, die sich trotzdem irgendwie für Linke halten, wie Deutschlands 1 a Menschenrechtler Rupert Neudeck, der jüdische Siedler »sehr unappetitlich auftretende Vertreter der eigenen Religion und Nationalität« nennt. Unappetitlich? Unhygienisch? Verlaust gar? Oder der außenpolitische Sprecher der Linkspartei, Norman Paech, dem der Mund des’ überging, wes’ sein Herz voll ist: Die Juden, pardon, die Israelis haben »ein Massaker unter der Bevölkerung des Gazastreifens angerichtet«, ein »furchtbares Gemetzel«, ihre Politik »ist kriminell«, sie begehen »eindeutige Kriegsverbrechen«, sie sind »zynisch«, »barbarisch«, treiben »Exzeß«, »Strangulierung und Entwürdigung«, »Schande«.
»Wie jedes Volk unter rechtswidriger Besatzung haben auch die Palästinenser ein Recht auf Widerstand. Für eine rechtswidrige Besatzung gibt es aber kein Recht auf Verteidigung«, erkennt der Völkerrechtler Paech. Die Hamas darf Sprenggürtel in jüdischen Schulbussen zünden, Israel darf in sich gehn. Was aber tut er, der Jude? Er führt »einen unzulässigen Vernichtungskrieg« (Paech). In dem die Juden die Bevölkerung des Feindes mit 1.365 Lastwagen voll Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt haben, wie unsere Wehrmacht damals die Einwohner von Leningrad, mit dessen Belagerung Uri Avnery den Einmarsch der israelischen Armee nach Gaza verglichen hat.
Denn die zitierten Ansichten deutscher Medien sind, die Rede Paechs (man wird ja wohl noch Kritik an Israel üben dürfen) durchaus eingeschlossen, genauer Ausdruck jenes gemeinsamen politischen Willens der Nation, den die handelnden Politiker und Diplomaten, so sehr sie ihn teilen, hinter der perfiden Parole von der »besonderen Verantwortung Deutschlands für Israel« verbergen. Es ist diese Verantwortung, die es Deutschen seit Jahrzehnten erlaubt, ihre Chancen bei den islamischen Staaten auf Kosten Israels zu mehren, indem sie sich dem jüdischen Staat so unentwegt wie ungebeten als Vermittler aufdrängen und seinen Todfeinden mit Geldscheinen winken, wann immer die in Not sind und also versucht sein könnten, ihr Elend endlich durch ein erträgliches Arrangement mit dem Staat Israel zu überwinden – und damit die Europäer und insbesondere die Deutschen vom nahöstlichen Feld der Weltpolitik zu stellen. Kaum schien die Führung der Fatah oder der PLO einmal gezwungen, das heilige Kriegsbeil zu begraben, tauchte eine Bonner oder Berliner Delegation in Ramallah auf und machte ihnen Mut zu neuem Terror.
So auch in diesem Winter. Einmal – und dann nicht wieder – hatte die deutsche Kanzlerin am Beginn der Kampfhandlungen die Schuld am Krieg den Schuldigen gegeben, da machte sich schon auf Steinmeier, um der schwer angeschlagenen Hamas einen Platz am Verhandlungstisch zu reservieren und, zusammen mit Sarkozy und den anderen Europäern, von Israel zu verlangen, den passionierten Judenmördern als Teil einer palästinensischen Regierung diplomatische Anerkennung zu gewähren. Als dann noch aus den Taschen der Angereisten größere Bündel Euroscheine für den Wiederaufbau ihrer Büros und Abschußrampen lugten, faßten die der Kapitulation nahen Terroristen neue Hoffnung, und Israels Sieg war schon wieder halb verspielt.
Soviel zu den Feinden. Ein Wort zum Schluß zu den Freunden: Bis heute haben alle Versuche der israelischen Regierungen, die Existenz des jüdischen Staates zu retten, die Zahl ihrer Feinde immer weiter erhöht. Am Antisemitismus der Welt und speziell ihres islamischen Teils ist so wenig zu zweifeln wie an Sartres Wort, daß der Antisemitismus den Tod der Juden will. Und dennoch könnte man fragen, ob Israels Politik denn gar nichts einfällt, die Zahl ihrer Feinde in aller Welt zu reduzieren. Wäre Judenhaß eine Sache der Chromosomen, wäre die Antwort so schlicht wie die der Hamas. Weil er aber ein erworbener psychosozialer Defekt ist, und weil die Juden keine Gotteskrieger sind, werden sie eine Therapie finden müssen, die den Patienten ein besseres Leben diesseits von Allah und seinen Huris verspricht. Die Entwaffnung der Hamas wäre ein Anfang gewesen, wenn er ein Anfang dazu wäre.