Dossiers
Auf die Frage, was die Aufgabe der linken Bewegung sei, antwortete Hermann L. Gremliza 2004:
Den Autor zu finden, der die Welt nach dem vorläufigen Endsieg des Kapitalismus auf den Begriff bringt … Bis dahin genügt zu wissen, »was nicht tun«: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, immer noch, aber auch nie wieder »breites antikapitalistisches Bündnis«, nie wieder Sozialneid statt Sozialismus, nie wieder billigende Inkaufnahme völkischer Ressentiments, nie wieder Antisemitismus, auch wenn er Antizionismus heißt.
Das Programm der »radikalen Negation« bleibt gültig – selbst wenn heute Faschismus und Weltkrieg, deren unmittelbares Bevorstehen zu prophezeien stets zur Geschäftsgrundlage von konkret gehörte, die Linke zu Bündnissen zu drängen scheinen mit jenem kleineren Übel, das sich auch diesmal als das größere herausstellen wird.
Die Dossiers zeigen, wie vier zentrale Themen in konkret seit 1990 debattiert werden: Faschismus, Antisemitismus, Deutschland und die Ukraine. Weitere folgen.
Faschismus
»Mit Biberfleiß und wie nach höherem Plan, den angeblich keiner kannte, schufteten [in den achtziger Jahren] Jungfilmer und Basisgruppen, Bürgerinitiativen und Schriftsteller, Christen und Umweltschützer für den Tag, wo man das alles wieder brauchen würde: Die Liebe zur Region, zum Kiez, zur Heimat, zu Volk und Vaterland, zum Boden und zur Muttererde, zur heimischen Artenvielfalt und zum deutschen Wald, zur Tradition, zu allem, was roh ist, häßlich aussieht, schlecht schmeckt, hart macht.«
(Wolfgang Pohrt, Der Weg zur inneren Einheit, 1990)
Antisemitismus
»Das klassische Phänomen des Antisemitismus nimmt aktuelle Gestalt an. Der alte besteht weiter, das nenn ich mir Koexistenz. … Doch neu ist in der Tat die Ansiedlung des als Anti-Israelismus sich gerierenden Antisemitismus auf der Linken. Einst war das der Sozialismus der dummen Kerle. Heute steht er im Begriff, ein integrierender Bestandteil des Sozialismus schlechthin zu werden, und so macht jeder Sozialist sich selber freien Willens zum dummen Kerl.«
(Jean Améry, Der ehrbare Antisemitismus, 1969)
Scheiß Deutschland
»Noch war jeder große Tag in der Geschichte der Deutschen ein schwarzer Tag in der Geschichte der Menschheit und umgekehrt. Wann immer sich die durch Hass, Missgunst und eine Sprache, die sie gemeinsam nicht können, innig verbundenen Angehörigen dieser Nation singend und weinend um die Hälse fielen, kündigte sich Tödliches an.«
(Hermann L. Gremliza, 1990)
Ukraine
»Worin die historische Zäsur, die hier markiert wird und die »Zivilisationsbruch« zu nennen unter anderem die »FAZ« sich nicht scheut, bestehen soll, wird selten deutlich und ist immer falsch: Denn weder ist die russische Invasion der Ukraine der erste Krieg in Europa seit 1945, noch ist er der erste, der das Völkerrecht bricht.«
(Editorial in konkret 4/22)