What ist Left

What ist Left

Das Regisseurpaar Hofer/Ragazzi begibt sich auf die Suche nach dem "Linken" wie dem "Linkssein" im Italien des Jahres 2013. Vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen stellt sich Italien als politisch unübersichtliches Land dar, in dem Beppe Grillo die Trennung von Rechts und Links auflösen will. Hofer/Ragazzi gestalten ihre Suche dabei als offenen Prozeß, stellt Tim Slagmann in seiner Filmbesprechung fest.

What ist Left

13.06.2014 13:31

Regie: Gustav Hofer/Luca Ragazzi; mit denselben; Italien 2013 (Déja-vu); 74 Minuten; ab 12. Juni im Kino
 
Ragazzi heißt der eine, geboren in Rom. Hofer, der andere, kommt aus (Süd-)Tirol. Können das wirklich die echten Namen der beiden Regisseure sein, die auch privat ein Paar sind und Filme drehen über sich selbst und über ihre Heimat Italien? Ja, tatsächlich. Aber sie sind klug genug, den Hofer und den Ragazzi auch als Kunstfiguren erkennen zu lassen, die sich in der neuen Arbeit »What is Left?« auf eine Spurensuche in einem politisch ausgesprochen unübersichtlichen Land machen.

Zwei Linke suchen also rund um die Wahlen vom Februar 2013 nach der Linken und dem Linkssein. Währenddessen mobilisiert Beppe Grillo die Massen mit pathetischem Unsinn, mit dem Versprechen einer Gesellschaft, die kein Leid mehr kennt und keinen Grund mehr, sich das Leben zu nehmen. Ist was dran an diesem cholerischen Charismatiker, der gemeinsam mit seinen Anhängern die Trennung in Rechts und Links einreißen will? Immerhin, so wie Che und Marx trägt er einen veritablen Bart, stellen Hofer und Ragazzi fest.

Ungefähr so funktioniert der ganze Film: beobachtend, assoziativ, unterlegt mit eher schlaffem Witz. Bevor ein Grillo-Fan Ragazzi argumentativ ganz in die Ecke drängen kann, verlagert man das Gespräch lieber auf Spaghetti Carbonara. In einer grell inszenierten Quizshowparodie nerven die Regisseure, die hier Kandidaten sind, die Moderatorin mit ihrem Hang zu ausufernden Diskussionen. Das mag heißen, daß sogenannte linke Dogmen in Auflösung begriffen sind oder sich die komplexe Wirklichkeit noch nie auf Ja/Nein-Antworten reduzieren ließ; vermutlich bedeutet es beides.

Diese Offenheit wirkt aber nicht unbedingt beliebig. Sie positioniert die Filmemacher vielmehr in gerade noch sympathisierender, aber deutlicher Distanz zu Regisseuren wie Michael Moore, denen die Selbstsicherheit aus jeder Einstellung quillt. Die Suche danach, was übrig geblieben ist von dem, was einmal links war, ist bei ihnen ein offener Prozeß – lose strukturiert durch die Geschehnisse vor und nach der Abstimmung, die Berlusconi ein für alle Mal erledigen sollte und ihn dann zumindest indirekt doch zurück an die Macht brachte. Diese Bindung an die Realpolitik bedeutet natürlich auch, daß »links« hier selten mehr ist als ein nostalgisches Ideal der Sozialdemokratie. Eine Rückbesinnung auf damals, bevor, wie ein Interviewpartner behauptet, der angelsächsische Marktradikalismus die Kunst und Kultur zerstört habe. Eine Linke, die so drauf ist, wird allerdings auch in Zukunft niemand brauchen.

Tim Slagman