Devils Knot

Devils Knot

Devil's Knot ist weder eine Verlustgeschichte, noch die Erzählung einer Heldentat: Der Film ist viel eher die multiperspektivische Studie eines zutiefst bigotten Milieus.

Devils Knot

02.02.2015 13:27

Regie: Atom Egoyan; mit Colin Firth, Reese Witherspoon; USA 2013 (Senator); 114 Minuten; DVD

Colin Firth ist verdammt, aus der Ferne zuzuschauen. Der Brite spielt den Privatdetektiv Ron Lax, der für die Mordverdächtigen arbeitet. Weil er kein Anwalt ist, bleibt ihm der Zugang zum Gerichtssaal versperrt. Wir schreiben das Jahr 1993, ein Exgouverneur von Arkansas namens Bill Clinton ist gerade als Präsident ins Weiße Haus eingezogen - ein Demokrat, aber die Provinz des US-Bundesstaates ist noch fest in Gottes Hand.

Atom Egoyan unternimmt in »Devil’s Knot« die halbfiktionale Rekonstruktion eines Falles, der in den USA schon mehrfach durch die Medien gezogen worden ist – am bekanntesten in Joe Berlingers Dokumentarfilmtrilogie »Paradise Lost«. Ein Wagnis? Nicht so, wie Egoyan sich der Sache annimmt. Drei Kinder sind in West Memphis, Arkansas, gequält und getötet worden, und drei Teenager werden für diese Tat vor Gericht gestellt. Die Beweislage ist mehr als dünn, ein fragwürdiges Geständnis liegt vor, andere Spuren werden mit erstaunlicher Konsequenz ignoriert. Zu passend scheint es, dass einer der Angeklagten Satanist ist – er wird zum Tode verurteilt, die anderen beiden zu einer lebenslangen Haftstrafe.

Der Film lässt sich auch dadurch beschreiben, was er alles nicht ist: Er ist keine Verlustgeschichte, anders etwa als Egoyans bekannteste Arbeit »Das süße Jenseits« von 1997 – auch wenn Reese Witherspoon als Mutter eines der Opfer eine sehr leise, berührend eindringliche Darstellung abliefert. Er erzählt nicht von der Heldentat eines unbeirrbaren Einzelkämpfers. Er ist kein Gerichtsdrama. Oder er ist ein wenig von alldem, vor allem aber die multiperspektivische Studie eines zutiefst bigotten Milieus. Der kanadisch-armenische Regisseur nähert sich der Community mit wenig mehr als der minimal gebotenen Empathie und nimmt sonst die distanziert beobachtende Position seines Protagonisten ein. Die Distanz ergibt sich auch aus der beinahe kühlen Souveränität, mit der die Szenen aufgebaut und fotografiert sind.

Diese strenge inszenatorische Routine prallt auf eine geradezu störrische Offenheit der Erzählung: Egoyan weigert sich, irgendwelche losen Enden zu verfolgen oder Spekulationen anzustellen. Die Freilassung der Angeklagten im Jahr 2011 passte nicht mehr in die Handlung. Darin liegt die eigentümliche Faszination dieses unaufgeregten Films, der hier nur auf DVD erscheint: in der künstlerischen Reduktion der Wirklichkeit, die aber nicht dem Gesetz der Dramaturgie unterworfen wird.

Tim Slagman