Mein Herz tanzt

Mein Herz tanzt

Manfred Hermes über einen Film, der die bewegende Geschichte eines palästinensischen Jungen erzählt, der in eine Jerusalemer Eliteschule verschickt wird. 

Mein Herz tanzt

21.05.2015 13:54

Regie: Eran Riklis; mit Tawfeek Barhom, Daniel Kitsis; Israel 2014 (NFP); 105 Minuten; ab 21. Mai im Kino 

Ein hochbegabter palästinensischer Junge wird aus seiner Kleinstadt in eine Jerusalemer Eliteschule verschickt, wo er der einzige Nichtjude ist. Da Eyad das Gegenteil von bildungsfern, außerdem anpassungsfähig ist, zeitigt seine Ausbildung nicht nur Wirkungen, die sich sein kommunistisch politisierter Vater als gute erhofft hat: Es verführt das Mondäne, kulturelle Faktoren und die Erotik des Fremden und Neuen drängen sich ein.

In der Schule lernt Eyad Naomi kennen. Da in einer quasirassistischen Gesellschaft sexuelle Kontakte von Mitgliedern der Mehrheit zu »Minderheiten« – so werden Araber hier genannt, im Plural – eine äußerste Übertretung darstellen, halten sie ihre Beziehung geheim. Ein außerschulisches Sozialprogramm bringt Eyad aber auch mit Yonatan zusammen, einem arroganten Mittelschichtsjungen, der mit Muskelschwund im Rollstuhl sitzt. Zwischen den beiden gibt es zunächst kaum Sympathien, irgendwann wird aber die geteilte Außenseitererfahrung zur Basis. Dann leitet Yonatan auch Eyads Popgeschmack an, von Joy Division hatte der noch nie etwas gehört.

Deren »Love Will Tear Us Apart« zeigt auch an, dass dieser Film nicht in der Gegenwart spielt. »Mein Herz tanzt« macht sogar große Sprünge, oft entlang historischer Daten, die die Konflikte zwischen Arabern und Juden vertieft haben: 1982 (Libanonkrieg), 1991 (Irakkrieg, Scud-Beschuss auf Israel), auch auf 1969 und 1947 wird verwiesen.  Am Ende dieser Reihe hat die interkulturelle Liebe Naomis Karrierewunsch (Militär) nicht standgehalten. Der Yonatan-Strang hält dafür überfliegende Angebote bereit. Was in Sayed Kashuas Romanvorlage die autobiografische Geschichte einer gescheiterten sozialen Besserstellung ist, spitzt sich in der Verfilmung auf einen Symbolismus der Versöhnung zu. Dieser vollzieht sich als Wiedergeburt in eine neue politische Subjektivität. Weil sie sich äußerlich ähneln, tritt Eyan immer häufiger als Yonatan auf. Als der an seiner Krankheit stirbt, wird er nach islamischem Ritus beerdigt und Eyan zum Juden umdeklariert.  

Obwohl in diesem Tausch ein postjüdisches Israel (wenn nicht gar eine Ein-Staaten-Lösung) gedacht wird, kommt es hier noch zu Repräsentationsdefekten. Die Darstellungen der jüdischen sozialen Verhältnisse in Familie und Schule wirken in ihrer bourgeoisen Gedämpftheit deutlich wirklichkeitsnäher als die palästinensischen Entsprechungen, wo – von der Muse der Wellness geküsst – eine etwas schrille Humanität vorherrscht.

Manfred Hermes