»Claudia Roth hat mir Herzen geschickt«

Seit der Musiker Danger Dan einen Song veröffentlichte, in dem er von Militanz als letztem Mittel gegen Nazis singt, regt sich der Kulturbetrieb auf und fordert Aufklärung. konkret sprach mit dem Mitglied des HipHop-Trios Antilopengang über die Möglichkeit einer politischen Kunst, die nicht staatstragend ist

konkret: Lesen Sie eigentlich konkret?

Danger Dan: Nein. Ich lese eigentlich kaum noch, seit ich Vater geworden bin. Nur noch zum Einschlafen. Ich bin jetzt so konditioniert, dass ich sofort einschlafe, wenn ich anfange zu lesen. Aber meine letzte WG hatte die konkret abonniert.

Sie kamen mir wie ein konkret-Leser vor.

Ich habe eine schlechte Ideologieschulung zum Ideologiekritiker bekommen (Gelächter). Das war Anfang der 2000er, ganz klassisch bei der Antifa. Da habe ich gelernt, dass man mit den Antiimperialisten lieber nichts zu tun hat, weil die im Zweifel Antisemiten sind.

Der Refrain Ihres Songs »Baggersee« lautet: »Atombombe auf Deutschland, dann ist Ruhe im Karton« und »Alles Gute kommt von oben«. Sind Sie mit solchen politischen Statements nicht relativ einsam in der Pop- und HipHop-Szene?

Es gibt noch einige, die politisch ähnlich ticken. Die sind aber nicht besonders erfolgreich. Wir schon (lacht). Die Single, die Sie erwähnen, war auf einem Album, das den Titel »Atombombe auf Deutschland« hatte und das auf Platz eins in die deutschen Charts eingestiegen ist.

Überraschend.

Wieso, das ist doch auch eine valide Forderung.

Ach ja?

Deutschland von der Karte streichen, Polen muss bis Frankreich reichen. Das habe ich auch in meiner Antifa-Schulung gelernt.

Mit Ihrer jetzigen Single »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« waren Sie im ZDF bei Jan Böhmermann und wurden von Igor Levit am Klavier begleitet. Wie entscheiden Sie, wo Sie hingehen und wohin lieber nicht mehr?

Das ist abhängig von meiner Tagesform. Manchmal will ich wirklich nirgendwo mehr hingehen, weil ich alles furchtbar finde, und manchmal denke ich, klar, ich kann auch zu dieser Spartensendung im ZDF gehen. Was ich an meinem Job wirklich nicht ausstehen kann, ist die Pflege der Sozialen Netzwerke. Man muss ständig irgendeinen Quatsch auf Instagram, Twitter und so weiter posten. Aber so ist das in jedem Job: Es gibt Dinge, die man nicht gerne macht. Ein Maurer zum Beispiel muss ja auch die schweren Steine irgendwie zur Baustelle bringen. Wobei Mauern ja toll sind.

Warum darf man singen, was man nicht sagen darf?

Das ist unfair, oder? Aber andererseits ist es auch gut, dass die Kunstfreiheit so weit gefasst ist, weil man sonst ja gar keine Kunst machen könnte.

Ist die Freiheit der Kunst vielleicht auch weiter gefasst, weil, was durch sie geäußert wird, weniger aggressiv wirkt und in einem harmlosen Raum des Kulturellen bleibt?

Vielleicht, wenn ich etwas am Klavier singe. Wenn ich es rappe, wirkt es sicher genauso aggressiv, wie wenn ich es aufschriebe oder sagte, und vor allem erreicht es viel mehr Leute.

Frustriert es Sie manchmal, dass, was Sie singen, so wenig Wirkung hat?

Nein. Ich bin doch kein Aktivist, sondern ein Musiker, der eher zufällig auch über Politisches singt.

Auf Ihrem Soloalbum singen Sie zum Klavier. Wer sind Ihre Vorbilder?

Von allen Liedermachern gefällt mir Georg Kreisler am besten. Aber mich hat auch Franz Josef Degenhardt beeinflusst. Vor allem sein Lied über den Kriegsdienstverweigerer. Und Degenhardt seinerseits war von Bob Dylan und den amerikanischen Folk Singers inspiriert, davon hat meine Platte aber nichts. Ein weiterer wichtiger Einfluss war Randy Newmans »Sail Away«, das dem Song »Lauf davon« Pate gestanden hat. Musikalisch ist das Lied ein Mix aus »Sail Away« und »Let It Be« von den Beatles. Beide Lieder habe ich mir selbst auf dem Klavier beigebracht.

Träumen Sie von der Revolution?

Natürlich. Alles andere ist Quark.

Die Reaktionen auf Ihre Single »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« waren teilweise heftig. Im Deutschlandfunk wurden Sie mit der Hufeisentheorie konfrontiert. Da hieß es, man solle das Ganze doch mal umdrehen: Wenn jemand Militanz forderte, und zwar statt gegen Alexander Gauland gegen Annalena Baerbock und statt gegen Ken Jebsen gegen Margarete Stokowski, ginge das dann auch noch in Ordnung?

Ich habe in dem Interview irgendwann aufgegeben, erklären zu wollen, was der Unterschied ist. Es hat die Leute furchtbar aufgeregt, dass ich von Militanz gesungen habe. Und ich dachte, die Leute vom Deutschlandfunk haben doch sicher wenigstens einen Deutsch-Grundkurs besucht. Das Wort Militanz steht ja nicht isoliert da, ich singe: »Und wenn du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst / Ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz.« Und zwar gegen Neonazis. Wer würde denn da widersprechen? Ich fürchte eher, dass das, was ich da singe, selbst von den meisten im Bundestag geteilt wird – ich nehme jetzt mal die AfD aus. Bis auf die würde doch niemand dort sagen, es gebe keine Neonazis in diesem Land oder die Polizei hier habe kein Problem mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen.

Sie singen: Vertraue nicht auf Staat und Polizei – das ist ein Angriff auf die Geschäftsgrundlage dieser Institution.

Ich habe für das Lied sehr viel Zuspruch bekommen. Claudia Roth hat mir auf Instagram Herzen geschickt (seufzt)! Da frage ich mich, ob ich was falsch gemacht habe.

Vielleicht ist es ein Missverständnis – das ist ja oftmals das Geheimnis des Erfolgs.

Vielleicht war ich auch einfach staatstragender, als mir lieb ist.

 

Foto: Jaro Suffner