The Florida Projekt

The Florida Projekt

»The Florida Project« handle, sagt Regisseur Sean Baker, von »Menschen, die durch das soziale Netz gefallen sind, sofern man in den USA von einem sozialen Netz sprechen kann«. Marit Hofmann hat den Film gesehen.

The Florida Projekt

15.03.2018 11:53

Regie: Sean Baker; mit Brooklynn Prince, Willem Dafoe; USA 2017 (Prokino); 112 Minuten; ab 15. März im Kino

Bei allem Respekt für den großen Schauspieler mit dem markant zerknautschten Gesicht: Der Star dieses Films ist nicht Willem Dafoe, obwohl er der einzige bekannte Darsteller ist. Der Star ist eine Sechsjährige. Das liegt nicht nur daran, dass Regisseur Sean Baker seine jüngsten Mimen teils einfach beim Spielen gefilmt hat – er nennt Brooklynn Prince schlicht eine der größten Schauspielerinnen, denen er je begegnet ist. Ganz offensichtlich macht sie aus der Hauptfigur Moonee viel mehr, als im Skript steht. Sie agiert mit einem natürlichen Witz, um den sie jeder Profi beneiden muss, sie brüllt, rülpst, schmatzt und kleckert gänzlich unmädchenhaft und liebt es, Motelmanager Bobby (Dafoe als zwischen genervt und gutmütig changierender Hausmeister) auf die Palme zu bringen.

 Moonee selbst ist es, die Zuschauer wie Nachbarskinder in ihre Welt einführt. Mit ihrer planlosen alleinerziehenden, jungen Mutter (flippig und zornig: die auf Instagram entdeckte Laiendarstellerin Bria Vinaite) ist sie unweit von Disneyworld in Florida im knallbunten Magic Castle Motel gestrandet, das eigentlich für Touristen gedacht war, aber – nicht erst seit Trumps Amtsantritt – für viele die letzte Station vor der Obdachlosigkeit ist. Unweit vom für sie unerschwinglichen »happiest place in the world« hausen »Menschen, die durch das soziale Netz gefallen sind, sofern man in den USA von einem sozialen Netz sprechen kann« (Baker).

Die Ästhetik, die Kameramann Alexis Zabé als »Blaubeereis mit einer sauren Note« beschreibt, hebt sich in der Sommersonne farbenfroh ab vom Sozialrealismus von Bakers Vorbild Ken Loach. Der US-Indiefilmer nennt sein teils mit Leuten aus dem Milieu gedrehtes liebevolles statt denunziatorisches Pop-vérité-Projekt eine »moderne Version der ›Kleinen Strolche‹«, für die das Prekäre ebenfalls Kulisse für lustige Abenteuer war. Doch hier weicht das Lachen einem Schlucken. Das Publikum, durch die Streiche der sich selbst überlassenen Kids zunächst in Sicherheit gewogen, ist Moonee später einen Schritt voraus – bis sie selbst begreift, dass die Magic-Castle-Kindheit nun ein Ende hat. Hoffentlich, denkt man, bleibt sie bei ihrer Devise: »Dieser Raum ist für uns verboten. Lasst uns trotzdem reingehen!«

Marit Hofmann