Iuventa

Iuventa

Michele Cinques Dokumentation über die schwierige Arbeit der privaten Seenotrettung im Mittelmeer zeigt Bilder, die man noch nicht gesehen hat. Der Film ist seit dem 19. Juli im Kino. René Martens hat „Iuventa“ gesehen.

Iuventa

25.07.2018 10:49

Regie: Michele Cinque; Italien/Deutschland 2018 (Farbfilm); am 13. August, 22.25 Uhr, auf 3-Sat; seit 19. Juli im Kino (Termine siehe iuventa-film.de)

»Ich will eine gute Ausbildung«, sagt ein 15jähriger, der sich über Libyen auf den Weg nach Europa gemacht hat. Gerade hat er erlebt, wie es ist, auf einem Boot eingepfercht zu sein, umgeben von Menschen, die in die Enge kotzen und urinieren. Aus dem Meer geholt hat ihn die Iuventa, das Schiff der 2015 gegründeten Organisation Jugend rettet. Der Teenager, der nicht viel mehr besitzt als ein Chicago-Bulls-Shirt, gehört zu den 14.000 Menschen, die die Iuventa davor bewahrt hat, im Mittelmeer zu ersaufen.

  Einige Filmemacher waren bereits auf Rettungsschiffen von NGO unterwegs. Michele Cinque liefert indes Bilder, die man noch nicht gesehen hat. Der Zuschauer bekommt mit, wie ein Einsatz abläuft, wenn die Retter gleich mehrere Schlauchboote auf einmal abfertigen müssen und in mehreren Etappen nur einen kleinen Teil der Elendspassagiere zur Iuventa befördern können. Die Retter müssen dann dafür sorgen, dass die Geflüchteten, die oftmals schwer verletzt, dehydriert oder traumatisiert sind, nicht in Panik geraten.

  Das Gefühl, Wichtiges zu leisten, mischt sich bei den Rettern immer wieder mit »Bauchschmerzen«, wie einer es formuliert. Jeder Schritt in Richtung Professionalisierung entlaste die staatlichen Institutionen, sagt er, als die Gruppe im Winter 2016 eine Bilanz der ersten Missionen zieht. Cinque gelangt 2017 an einen Punkt, an dem er das Projekt Jugend rettet als »Niederlage« betrachtet, weil es den Aktivisten nicht gelungen ist, auf die EU Druck auszuüben. Er beendet die Dreharbeiten, revidiert den Entschluss aber, als die italienische Justiz die Iuventa beschlagnahmt. Das war vor einem Jahr

  Über diesen Sinneswandel huscht Cinque im Film hinweg, sonst gewichtet er richtig. Die europäische Grenzpolitik handelt er schlaglichtartig ab, er verheddert sich nicht in den vielen Strängen des Themas Flucht. Seine Schwerpunkte: die Retter und die Frage, was das Retten mit ihnen macht.

  Der Film beschreibt den Übergang von der Phase, als private Lebensretter noch geduldet waren, zur aktuellen Situation. Politik und Justiz versuchen nun, sie zu kriminalisieren und zu zermürben. »Wäre ganz gut, wenn wir das nicht noch 40 Jahre machen müssen«, sagt ein Aktivist 2016. Dass ein italienischer Staatsanwalt ihr Schiff entwenden würde, wird er zu dem Zeitpunkt nicht geahnt haben.

René Martens