The Act of Killing

The Act of Killing

"Jede Doku über Massenmorde erblaßt angesichts dieses Real-Fiction-Dramas, in dem der Tod eine echte Hauptrolle spielt." Jürgen Kiontke über einen einzigartigen Film zum indonesischen Militärputsch im Jahr 1965. 

The Act of Killing

18.03.2014 14:51

Regie: Joshua Oppenheimer; mit Mördern; Dänemark/Norwegen/Großbritannien 2012; 115 Minuten (Neue Visionen)

Man kann »The Act of Killing« eigentlich nicht zum Ansehen empfehlen. Vielleicht weil der Film so einzigartig ist: Jede Doku über Massenmorde erblaßt angesichts dieses Real-Fiction-Dramas, in dem der Tod eine echte Hauptrolle spielt und doch so beiläufig daherkommt. Genauso könnte man die Fleischerinnung dazu interviewen, was sie beim Wurstmachen denkt. Hier geht es um Mitglieder paramilitärischer Einheiten während des indonesischen Militärputschs im Jahr 1965. Kleinkriminelle und Schläger stiegen zu halbmilitärischen Führern auf. Ihr Auftrag: politische Gegner – Kommunisten, Sozialdemokraten und wen man sonst noch abkocht bei der Gelegenheit – zu liquidieren. Innerhalb eines Jahres wurden auf die Tour über eine Million Menschen umgebracht. Dem ausführenden Personal ist heute noch die Freude darüber anzumerken.

Regisseur Joshua Oppenheimer hat sich, unterstützt von den Produzenten Werner Herzog und Errol Morris, ein paar der Mörder herausgesucht. Das scheint nicht so schwer gewesen zu sein, denn die Killer von damals sind heute noch in Amt und Würden und protzen mit ihrer Totschlägerei herum. Sie tragen schöne Anzüge und plaudern freimütig darüber, wie man Leute per Folter aus dem Leben schafft. Zum Beispiel mit einer Drahtschlinge, die an der Wand befestigt ist. Feste dran ziehen, meint Anwar Kongo, ehemals Schwadronführer, der dieses Verfahren oft und mit Liebe praktiziert hat. Er erzählt gern, wie die Opfer sich dabei in die Hose gemacht haben.

Oppenheimer kommt auf die schöne Idee, die Mörder zu Filmstars zu machen. Den begeisterten Kinofans bietet er an, doch diesen wichtigen Teil ihres Lebens als Filmmotiv zu inszenieren. Mit Tanz, Musik und viel Filmblut. Seine Protagonisten reagieren begeistert auf diesen Vorschlag. Die Totschläger laufen los, suchen Schauspieler und lassen Kostüme entwerfen. Die Ergebnisse sind durchaus bunt. Aber das Projekt bringt die Männer auch zum Nachdenken: Ihnen dämmert langsam, was sie wem angetan haben und daß der Schaden wohl etwas groß geraten ist. Oppenheimers Film läßt in den Tätern eine Erkenntnis wachsen, die dem Zuschauer schon länger schwant: Die Therapie wird Nebenwirkungen haben. Man sieht dabei zu, wie sich in den Mördern ein Bewußtsein bildet. Ihnen wird schlecht davon. Den Täter in die Kotzorgie führen: »The Act of Killing« ist eines der ungewöhnlichsten und schlimmsten Filmprojekte, das je gelaufen ist.

Jürgen Kiontke