Plug and Pray

Plug and Pray

Zukunftsmusik mit schrägen Tönen. Philipp Schmidt über die Technik-Doku Plug and Pray, die noch bis zum 22.4. in der ARD-Mediathek zu sehen ist.

Plug and Pray

20.04.2015 10:18

Joseph Weizenbaum, Pionier auf dem Gebiet der sogenannten künstlichen Intelligenz, ist mittlerweile in die Jahre gekommen und ideologisch konvertiert. Die Geister, die der Professor rief, als er am berühmten Massachusetts Institute of Technology die Großrechner das Sprechen lehren wollte, sind ihm nicht mehr ganz geheuer.

In Jens Schanzes Dokumentation kommt Weizenbaum die Rolle einer moralischen Instanz zu. Er tritt auf als Kritiker einer Zukunft, der er selbst den Weg bereitete. Immer wieder kehrt die Kamera, nach ihren Ausflügen zu Forschergruppen und Roboterschmieden quer über den Globus, in die beschaulichen vier Wände Weizenbaums in Berlin zurück, als wolle sie sich bei ihm Rat holen, was denn nun von den angsteinflößend menschelnden Maschinen und ihren nicht minder beängstigenden Konstrukteuren zu halten sei.

In der Tat bemerkenswert sind die im Film vorgestellten Beispiele für den rasanten Fortschritt der Computertechnologien: ein Roboter, der seinem Erbauer zum Verwechseln ähnlich sieht, eine Forschergruppe, die mit den Mitteln der Nanorobotik an der Nachbildung menschlicher Körperzellen arbeitet. Die (ausschließlich männlichen) Zukunftsingenieure, die der Regisseur zu Wort kommen lässt, erscheinen wie postmoderne Priester einer digitalen Glaubensgemeinschaft. Bald, prophezeiten sie, werde man den Tod überwinden und Roboter entwickeln, die dem Menschen nicht bloß ähneln, sondern ihm haargenau gleichen. Ihre Ideologie verträgt sich dabei bestens mit dem neoliberalen Zeitgeist, ihre Vernunft ist rein instrumentell, ihr Menschenbild das einer allzeit funktionstüchtigen, geschichtslosen und autarken Produktionseinheit. Ihre Roboter sind die Prototypen des beziehungslos Vereinzelten.

Schanze inszeniert ein anregendes Streitgespräch zwischen dem einfältigen Fortschrittsglauben dieser Technikapostel und dem naiven Humanismus Weizenbaums. Letzterer kann allerdings schon deshalb keine ernstzunehmende Kritik an ersterem liefern, weil er nicht erkennt, dass unter den bestehenden Verhältnissen Roboter in der Tat die besseren Menschen sind.

Philipp Schmidt