7 Göttinnen

7 Göttinnen

Wie geht Feminismus in einer durch und durch misogynen Gesellschaft? Katrin Hildebrand hat den Film "7 Göttinnen" gesehen.

7 Göttinnen

02.06.2016 11:54

Regie: Pan Nalin; mit Sarah Jane Dias, Anushka Manchanda; Indien/Deutschland 2015 (NFP); 104 Minuten; ab 2. Juni im Kino

Ein plötzlicher Twist – und alles wird anders. Das Spiel mit den Erwartungen des Zuschauers ist alt und nicht mehr besonders originell. Wer im Kinosessel ein bisschen Übung hat, kann die Wendungen des Drehbuchs innerhalb der ersten fünf Minuten vorhersagen. Auch die vielgepriesenen Independent-Produktionen folgen meist bewährten Schemata: Eine schwer depressive Grundstimmung gilt als anspruchsvoll, skurrile Handlungszufälle und schrullige Figuren werden in der Regel mit Tiefsinn verwechselt. Alfred Hitchcock dagegen ist es in einigen Werken noch gelungen, ab der Mitte des Films eine völlig neue Geschichte zu erzählen und Suspense durch Psychologie und Gesellschaftsanalyse zu ersetzen.

Der indische Regisseur Pan Nalin folgt in »7 Göttinnen« nun ebenso dem Prinzip des Bruchs, wenn auch ganz anders als Hitchcock. Mit etwas Phantasie lassen sich bereits die ersten Szenen als Vorbereitung auf das Finale lesen: Zu Beginn kämpfen die sieben Protagonistinnen in kurzen Spots gegen das Patriarchat: Schauspielerin Jo wehrt sich prügelnd gegen Bollywood-Klischees, Hausmädchen Laxmi schickt eine notgeile Straßenbekanntschaft in die Wüste, und Fotografin Freida ringt in der Modeszene um ihre Künstlerehre. Freilich sind das Kleinigkeiten. Tausende Jahre Männerherrschaft lassen sich nicht so einfach verdrängen. Da müssen sich die Mädels eben ein bisschen durchsetzen. Wer nach diesen wehrhaften Anfangssequenzen allerdings eine flotte, wilde und schrille Komödie erwartet, wird erst mal bitter enttäuscht.

Die Handlung verliert so schnell an Fahrt, dass sich der Zuschauer plötzlich in einer Art Mädelsabend wähnt. Freida hat all ihre Freundinnen nach Goa eingeladen. Sie will heiraten und mit ihnen feiern. Wer der Glückliche sein soll, offenbart sie allerdings nicht.

Nalin, der auch das Drehbuch schrieb, beginnt nun ein fast schon perfides Spiel mit Belanglosigkeiten. Die Frauen lachen und kichern (gähn!), tollen am Strand herum (schnarch!), probieren Hochzeitskleider (würg!). Derweil offenbaren sich naturgemäß die ersten Risse in der Fassade. Doch auch diese bringen keine Brisanz. Erst als Freida Details über ihre Hochzeit enthüllt, bekennt der Film langsam Farbe – und zwar zum Feminismus in einer durch und durch misogynen Gesellschaft. Die Vehemenz, mit der die Geschehnisse plötzlich hereinbrechen, war so nicht absehbar. Da hat Pan Nalin in letzter Minute die Reißleine gezogen.

Katrin Hildebrand