Nur wir drei gemeinsam

Nur wir drei gemeinsam

Es kann sehr kitschig wirken, wenn man eine kleine Hommage an seine Familie filmt. Aber ist es überhaupt Kitsch, wenn alles wahr ist? Der französische Komiker, Rapper und Schauspieler Kheiron hat die Geschichte seiner Eltern in ein Drehbuch gefasst.

Nur wir drei gemeinsam

30.06.2016 14:12

Regie: Kheiron; mit Kheiron, Leïla Bekhti, Gérard Darmon; Frankreich 2016 (NFP); 102 Minuten; ab 30. Juni im Kino

Es kann sehr kitschig wirken, wenn man eine kleine Hommage an seine Familie filmt. Aber ist es überhaupt Kitsch, wenn alles wahr ist?

Der französische Komiker, Rapper und Schauspieler Kheiron hat die Geschichte seiner Eltern in ein Drehbuch gefasst. Als iranischer Widerstandskämpfer in den siebziger Jahren - erst gegen den unbeliebten Schah und nach dessen Flucht gegen Ayatollah Khomenei, der den Iran in einen theokratischen Staat umwandeln wollte - erfährt sein Vater Hibat (gespielt von Kheiron selbst) viel Gewalt und Repression. Als er seine zukünftige Frau Fereshteh (Leïla Bekhti) kennenlernt und diese bald darauf den gemeinsamen Sohn Nouchi gebärt, wird die Situation immer gefährlicher, so dass das Paar schließlich nach Frankreich flieht. Dort demonstrieren die beiden nicht nur weiter gegen Khomeneis Regierung, sondern beginnen auch, auf sehr individuelle Weise für soziale Projekte zu arbeiten.

Das Thema ist ernst, die Behandlung jedoch ganz, wie von einem Komiker zu erwarten, mit Humor gewürzt, der aber nie fehl am Platz wirkt. „Wir dürfen nie vergessen, dass an Orten und in Situationen, die so tragisch und beängstigend sind, das Lachen für uns Menschen ein Mittel der Verteidigung ist“, meint Kheiron. Und so sieht man ihn als seinen Vater auch unter den brutalen Bedingungen im Gefängnis mit seinen Freunden scherzen; der gehasste Schah wird als naiver Idiot dargestellt, der den Lärm einer demonstrierenden Menschenmasse als Kassettenaufnahme abtut, und sein zukünftiger Schwiegervater verschönert ein Fahndungsbild von Hibat kurzerhand mit einem Spitzbart. Auch Nouchi kombiniert Humor mit Kampfgeist: Beim Vorsingen in der Grundschulklasse singt er nicht, wie sein Mitschüler, von „petit escargots“ (kleinen Schnecken), sondern mit erhobener Faust „Die Internationale“: „Völker, hört die Signale!“

Obwohl die politische Situation im Iran ebenfalls ihren Platz im Film findet, geraten Einzelheiten eher in den Hintergrund. Allerdings ist das nicht weiter schlimm. „Ich wollte nie einen politischen Film machen“, erklärt Kheiron. Es ist eine Familiengeschichte, die er erzählt. An den Erfahrungen dieser Familie sieht das Publikum, wie Gewalt und Unterdrückung Verwandte und Freunde auseinanderreißen, aber auch, wie der Zusammenhalt dadurch immer größer wird. Bezeichnend ist die Szene der Geburt Nouchis, in der die Kamera zwischen verschiedenen Orten hin- und herwechselt: Während Fereshteh und ihr Vater angespannt im Auto warten müssen, bis eine Gruppe bewaffneter Frauen das Krankenhaus verlässt, sieht man Khomeinis Schergen ein Haus stürmen, in dem gerade Hibat und sein Bruder ein Widerstandstreffen abhalten, während ein Freund das Kinderbett für das Baby aufbaut. Untermalt mit ruhiger, fast sinnlicher Klaviermusik, sieht man die Geburt, den Beginn eines Lebens und vermutlich das Ende eines anderen, als sich ein Mann bei dem gewaltsamem Eintritt der Soldaten aus dem Fenster wirft, seine weinende Frau mit Baby im Arm zurücklassend. „Die Angst bannt die Gefahr nicht“, sagt Fereshteh später, als sie nicht hinnehmen will, dass ihr Mann alleine das Land verlässt. „Besser zusammen in der Hölle als allein im Paradies!“

Diese Liebe ist der Ankerpunkt der ganzen Geschichte. Wenn sich Hibat und Fereshteh nach tagelangem, mühseligen Ritt durch die Schneeberge an der Grenze des Irans wiedertreffen und so sehr um den Hals fallen, dass sie umkippen, vergisst man beinahe, in was für einer gefährlichen Situation sie sich befinden. Die Rolle seiner Mutter hätte Kheiron mit Leïla Bekhti nicht besser besetzen können, und auch er selbst macht in seiner ersten großen Kinorolle keine schlechte Figur. Diese Hommage ist nicht nur ein Geschenk an seine Eltern.

Leonie Ruhland